Alltagsintegrierte Sprachbildung

Seit dem mittelmäßigen Abschneiden in internationalen Vergleichsstunden (PISA, IGLU, „Starting Strong“) wurde in Deutschland vermehrt eine Diskussion um Bildungsaufgaben im Elementarbereich geführt um präventiv das Potenzial der Kleinsten chancengerecht zu fördern. Insbesondere der Bereich der Sprachförderung wurde dabei fokussiert, da der Spracherwerb und die Entwicklung von Sprachkompetenzen  in den ersten Lebensjahren als wichtig erachtet werden um Bildungspotenzial entfalten zu können.

Die Bundesländer empfehlen unterschiedliche Maßnahmen um die Sprachentwicklung in Kindertageseinrichtungen zu unterstützen, dabei lassen sich Ansätze unter anderem danach differenzieren, ob sie als alltagsintegrierte Konzepte, als additive Fördermaßnahmen oder als Sprachstanderhebung ausgelegt sind.

Alltagsintegrierte Sprachförderung zeichnet sich dadurch aus, dass die aktuellen Interessen, Bedürfnisse und Kompetenzen der Kinder zum Bezugspunkt der Arbeit erklärt werden um eine bewusste und regelmäßige Sprachförderung für die Kinder sicherzustellen. Sie umfasst eine differenzierte Vorgehensweise, die individuelle Unterschiede der Kinder berücksichtigt und Besonderheiten des Lebensumfeldes in Rechnung stellt. Dies bedeutet, dass die Ansatzpunkte zur Sprachförderung von Kind zu Kind unterschiedlich sein können.  Das   Niedersäsische Ministerium für Frauen, Arbeit und Soziales  empfielt dazu folgende 4 Schritte für eine bewusste alltagsintegrierte Sprachförderung:

Erster Schritt: Eine Situation als geeignet für Sprachförderung erkennen. Dazu gehört es auch zu erkennen, wann ein Kind auch Ruhe und intime Momente für sich braucht, und nicht durch aktive Sprachangebote überfordert wird.

Zweiter Schritt: Einen „öffnenden“ Kontakt zum Kind herstellen. Hierzu bedarf es nicht nur einer harmonischen Beziehung zwischen den Gesprächspartner, sondern auch evtl. heimische Gegenstände oder Anlässe, die Geborgenheit vermitteln können.

Dritter Schritt: Sprache bewusst und situationsorientiert fördern. Hierbei werden besonders die Bedürfnisse und Wünsche der Kinder bedacht. Es erlebt, dass eigene Ideen wertgeschätzt werden und wird ermutigt Neues auszuprobieren. Hierzu eignen sich anregende Räume mit vielen veränderbaren Elementen und eine Zeitgestaltung, die nicht nur von der Tagesstruktur abhängig ist, sondern auch in Absprache flexibel gehandhabt werden kann.

Vierter Schritt:  Die Situation schriftlich /tabellarisch dokumentieren / festhalten –im Sinne einer Selbstkontrolle. Verschiedene Beobachtungsverfahren eignen sich hierfür (vgl. SismikSismik|||||Systematisches Beobachtungs- und Dokumentationsverfahren zur Sprachverhalten und Interesse an Sprache bei Migrantenkindern in der Kindertageseinrichtung. Der Bogen umfasst vielfältige Bereiche von Lernmotivation  bis zu pädagogischen Konsequenzen., SeldakSeldak|||||Systematisches Beobachtungs- und Dokumentationsverfahren zur Sprachentwicklung  und  Literacy  bei  deutschsprachig aufwachsenden Kindern. Umfasst vielfältige  Bereiche von Lernmotivation  bis zu pädagogischen Konsequenzen.), es können aber auch selber Tabellen oder Notizblöcke  dazu entworfen werden, die der Situation angepasst werden können. Eine Dokumentation erleichtert nicht nur die Reflexion im Team über bestimmte Sprachsituationen und Lernfortschritte, sondern tragen auch zur Transparenz gegenüber den Eltern bei.

Zwei Forschungsprojekte die im Rahmen des nifbe durchgeführt werden und dem Ansatz der alltagsintegrierten Sprachförderung entsprechen, beschäftigen sich derzeit speziell mit dem Thema Bewegungsorientierte Sprache und Sprachkultur im Alltag (weitere Informationen dazu siehe unten).

Alltagsintegrierte Sprachförder-Maßnahmen sind in den Bundeländern Bayern, Baden Württemberg, Bremen und Brandenburg verbindlich vorgesehen, während in allen anderen Bundeländern diese Form als Empfehlung ausgesprochen ist (vgl. DJI  2012). 

In Niedersachsen gab das Kultusministerium 2011  Handreichungen für Sprachbildung und Sprachförderung heraus, die als unverbindliche Empfehlungen für pädagogische Fachkräfte gelten um den Aspekt Sprache im Elementarbereich alltagsintegriert auszugestalten. Diese Handreichungen für Sprachbildung und Sprachförderung sind als vertiefte Konkretisierung des „Orientierungsplan für Bildung und Erziehung im Elementarbereich niedersächsischer Tageseinrichtungen für Kinder“  zu verstehen, der 2005 verabschiedet wurde und den Bildungsauftrag des Elementarbereichs  fokussiert. Begründet wurden die neue Konkretisierung und Vertiefung in Bezug zu Sprachförderung und Sprachbildung mit  aktuellen Erkenntnissen der Wissenschaft und Praxis, die die Weiterentwicklung der pädagogischen Praxis im Bildungsbereich Sprache und Sprechen anregen können (vgl. Handreichungen S. 4). Sprachkompetenz wird hierbei als zentrale Voraussetzung von Bildungserfolgen von Kindern definiert.

Auf Bundesebene wird die Alltagsintegrierte Sprachförderung auch durch die seit März 2011 aktive Offensive Frühe Chancen forciert. Das Bundeministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend finanziert 4.000 SprachexpertInnen als zusätzliche Fachkräfte in Kitas um die alltagsintegrierte sprachliche Bildung als Schwerpunktaufgabe in Einrichtungen zu fördern (weitere Informationen dazu siehe unten).

                                                                                                                                                           

Literatur:

  • Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen, Jugend: Frühe Chancen http://www.frühechancen.de
  • Deutsches Jugendinstitut e.V (2010). Sprachstandserhebung und Sprachförderung im Kindergarten und beim Übergang in die Schule
  • Niedersächsisches Kultusministerium (2011). Sprachbildung und Sprachförderung. Handlungsempfehlungen zum Orientierungsplan für Bildung und Erziehung im Elementarbereich niedersächsischer Tageseinrichtungen für Kinder.
  • Niedersachsisches Ministerium für Frauen, Arbeit und Soziales (2002). Wie Kinder sprechen lernen. Entwicklung und Förderung der Sprache im Elementarbereich.
  • Metschies, Hedwig (2012), Sprachförderung. In: Horn, K.-H./Kemnitz, H./ Marotzki, W./ Sandfuchs, U. (2012) Klinkardt Lexikon Erziehungswissenschaft. Regensburg



Weitere Fachbeiträge:

nifbe Forschungsprojekt: Bewegungsorientierte Sprache

Offensive „Frühe Chancen“


Sprachförder- Ansätze im Elementarbereich




Verwandte Themen und Schlagworte