Kleine Schatzkinder – große Zukunftsgestalter

Nachhaltigkeit im Alltag umsetzen – Praxiserfahrungen aus der Kita »Schatzkinder« ■ Immer mehr Kindertageseinrichtungen zeigen Flagge für den Klimaschutz, indem sie sich zunehmend intensiv mit zukunftsrelevanten Themen wie Ernährung oder Energie beschäftigen. Bei der Hamburger Kita »Schatzkinder« führten Auseinandersetzungen mit Nachhaltigkeit zu maßgeblichen Veränderungen im Alltag und machten die Einrichtung zur vorbildlichen Leuchtturm-Kita.

Andrea Sulewski ist Leiterin der Kita Schatzkinder im Hamburger Stadtteil Hausbruch. In ihrer Einrichtung ist nichts mehr so, wie es damals bei der Eröffnung 2009 war. Vor 7 Jahren hat sich die Kita Nachhaltigkeit auf die Fahne geschrieben – lebt und handelt jetzt in allen Bereichen danach. »Man muss solche Umstellungen Schritt für Schritt durchführen. Wichtig ist, alle Beteiligten nicht zu überfordern und vor vollendete Tatsachen zu stellen. Deshalb haben wir Kinder und Mitarbeitende mitgenommen, sie einbezogen und langsam auch an Ungewohntes herangeführt.«

Das gesamte Team steht hinter der konzeptionellen Ausrichtung im Sinne von Bildung für nachhaltige Entwicklung. Kinder und pädagogische Fachkräfte gestalten hier ihre Kita gemeinsam zu einem zukunftsfähigen Nachhaltigkeitslernort. Das Besondere ist bei den Schatzkindern, dass Projekte immer zu langfristigen Veränderungen geführt haben. So haben die Kinder nach intensiver Auseinandersetzung mit zukunftsrelevanten Themen Entscheidungen selbst treffen können, wodurch nicht nur der Alltag bei den Schatzkindern, sondern sogar die Bewirtschaftung und Beschaffung der gesamten Einrichtung in Richtung Ressourcenschonung umgestellt wurde. Schwerpunktmäßig geht es bei der Projektthemenfindung immer um zweierlei: Klimaschutz und die ressourcenschonende Gestaltung unserer Zukunft.

Zukunftsthema Ernährung: Essen für den Klimaschutz

Eines der beliebtesten Themen in Kitas ist die Auseinandersetzung mit der Frage »Woher kommt unser Essen eigentlich?«. Sei es, den Weg vom Korn zum Brot zu verfolgen, Gemüse aus dem Kita-Garten zu ernten oder auf dem Wochenmarkt auf Erkundungstour zu gehen – es gibt zahlreiche Ideen und Gedanken, die Kinder in ihrem Alltag aufgreifen und denen sie nachgehen wollen. So auch die Schatzkinder aus Hamburg.

»Besonders spannend fanden unsere Kleinen das Projekt zum Thema ›Hühner‹ vor ein paar Jahren. Wir haben es tatsächlich geschafft, Hühnereier mithilfe einer Brutmaschine auszubrüten und die Küken großzuziehen«, berichtet Sulewski von den Anfängen der Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit. »Diese Nähe zum Tier, die Erkenntnis, dass ein Huhn aus einem Ei schlüpfen kann – das hat die Kinder beschäftigt und zu neuen Fragen geführt: Woher kommen die vielen Eier, die man im Supermarkt kaufen kann? Warum entstehen daraus keine Küken? Und wieso essen wir überhaupt Eier?«

Besuche auf dem Bauernhof und Wochenmarkt schlossen sich an, Bücher wurden gewälzt und die Kinder dachten über Alternativen nach. Schnell kamen sie zu dem Entschluss, keine Eier mehr essen zu wollen und seitdem wird in der Kita auch nur noch eifrei gebacken und gekocht. Zu einer ähnlichen Erkenntnis kamen die Schatzkinder nach ihrem Kuh-Projekt. Viele von ihnen wollten fortan keine Milch mehr trinken, ein paar jedoch mochten nicht auf ihr gewohntes Müsli verzichten. Die Lösung: Alle Kinder probierten sich durch verschiedene pflanzliche Alternativen. Heute gibt es bei den Schatzkindern keine Kuhmilch mehr. Stattdessen werden abwechselnd Hafer-, Mandel- oder Reisdrinks angeboten.

Sulewski blickt stolz auf diese Entwicklung: »Wir sind zu einer rein vegetarischen Kita geworden und essen sehr häufig sogar vegan. Und das habe ich als Leitung nicht vorgegeben, das haben die Kinder ganz allein entschieden. Sie haben sich mit den Themen intensiv beschäftigt, haben eine Idee davon bekommen, wasdas Essen von tierischen Produkten mit der Umwelt und dem Klimawandel zu tun hat und sie möchten ihren eigenen Beitrag leisten, sie möchten selbst etwas verändern.«

Natürlich kamen bald Fragen der Eltern, ob vegan wirklich gesund sei und auf welche Nährstoffe zu Hause ergänzend geachtet werden sollte. Um diesen Sorgen gerecht zu werden, wurde eine Ernährungsberaterin zum Elternabend in die Kita eingeladen, die die vegane Ernährungsweise noch einmal genau erläuterte und auf Fragen einging. Heute freut sich die Kita Schatzkinder, dass auch die Elternschaft die nachhaltige konzeptionelle Ausrichtung mitträgt und Veränderungsmaßnahmen unterstützt. Denn so war es möglich, auch in der Bewirtschaftung der Kita in Bezug auf die Beschaffung von Nahrungsmitteln einiges zu ändern. Die Einrichtung kauft hauptsächlich nur noch Vollkornprodukte sowie regionale und saisonale Bio-Lebensmittel ein. Besonders wichtig ist es allen dabei, auf wenig Verpackung zu achten. Ab und an wird deshalb in einem Unverpackt-Laden eingekauft und Müsli im Großgebinde bestellt, das schließlich in Spendern in der Kita-Küche steht.

Nachhaltige Kita
Modellkreislauf für die Nachhaltige Kita



Zukunftsthema Abfallvermeidung: Unsere Taktik – weniger Plastik!

»Abfall ist auch ein Thema, das uns immer wieder beschäftigt. Besonders bei unseren Ausflügen fällt den Kindern immer wieder auf, wie viel Müll am Teich und an den Wegesrändern zu finden ist. Deshalb hat sich in unserer Kita ein Bewusstsein für Verpackungen entwickelt.«

Natürlich fällt doch ab und an etwas Müll an, erklärt Sulewski weiter, doch dieser wird dann entweder zum Basteln verwendet oder ihm wird durch Upcycling eine neue Aufgabe gegeben. Den Abfall am Teich sammeln die Kinder nun regelmäßig auf – ausgestattet mit Greifzangen und Beuteln. Sie haben für das Gewässer eine Art Patenschaft übernommen und wurden vom NABU dafür mit »Naturschutzmacher*innen«-Plaketten ausgestattet.

Auch in der Kita selbst gingen die kleinen Mülldetektive auf Spurensuche: Wo gibt es hier eigentlich überall Plastik? Gegenstände wurden gesammelt und im Morgenkreis besprochen. Die Kinder erkannten sofort, dass man vieles anders machen könnte und überlegten sich, was ganz einfach umgestellt werden könnte. So gibt es jetzt bei Festen in der Kita Schatzkinder kein Wegwerfgeschirr mehr, sondern die Eltern bringen eigene Teller und Tassen mit. Plastikspielzeug wird nach und nach durch Holzspielzeug ersetzt und statt Papierhandtücher werden Waschlappen zum Händetrocknen genutzt. Zum Trinken gibt es Leitungswasser und Getränke aus Glasflaschen. Außerdem backen die Kinder häufig ihr Brot selbst, kochen im Sommer Marmelade und im Herbst eigenes Apfelmus. Auch das spart Verpackungen.

Sulewski ergänzt: »Ein großes Thema ist auch immer wieder Mikroplastik. Uns lag es am Herzen, den Kindern zu erklären, dass Plastik nicht nur sichtbar auf der Straße liegt, sondern in vielen Produkten versteckt ist. Mit einem Film zum Thema Müll im Meer gelang uns der Einstieg. Die Hintergründe, wieso Mikroplastik in Zahnpasta steckt und was dieses in Gewässern anrichtet, mussten wir mit den Kindern genauer besprechen.« Dafür recherchierten die pädagogischen Fachkräfte mit den Kleinen im Internet, schauten sich Kreisläufe an, suchten Produkte ohne Mikroplastik, machten ein Experiment, in dem die Plastikteilchen aus Duschgelen in einem Nylonstrumpf hängen blieben und besuchten ein Klärwerk. Für die Eltern erstellten die Kinder schließlich noch Listen, welche mikroplastikfreien Produkte es gibt und wie jede Familie im Alltag Plastik vermeiden kann. Diese Listen hängen auch bei den Schatzkindern in der Kita und regten zum Beispiel die Umstellung auf mikroplastikfreie Handseife und Spülmittel an.

Zukunftsthema Energie: Schlaue Füchse sparen Strom

Auch im Bereich Energie ist die Kita Schatzkinder aktiv. »Der Wechsel auf Ökostrom ging damals ganz schnell. Ein Anruf beim Träger und beim Stromversorger – das war es schon. Schwieriger wurde es, andere Stromfresser in unserer Einrichtung zu identifizieren«, erinnert sich Sulewski. Zur Unterstützung lud sie deshalb 2017 den KLIMAfuchs (siehe Infokasten) zum Energiecheck in die Kita ein. Bei einem zweistündigen Rundgang durch die gesamte Einrichtung nahm das KLIMAfuchs-Team zunächst von der Außenbeleuchtung über die Küchengeräte bis hin zum Heizsystem alle energieverbrauchenden Geräte genau unter die Lupe. Es zeigte Schwachstellen auf und gab Empfehlungen für Veränderungen. Die Ergebnisse wurden anschließend in einem Workshop mit Mitarbeitenden der Kita besprochen. Erste Energiesparmaßnahmen setzte die Kita gleich um. Die Leuchtmittel der Wahl sind nun LEDs. Werden sie nicht gebraucht, werden die Lampen natürlich ausgeschaltet. Gleiches gilt für jegliche Art von anderen Geräten – hierfür wurden abschaltbare Steckerleisten installiert. Papier und Toilettenpapier besteht aus 100 Prozent Altpapier. Heute unterstützt der KLIMAfuchs die Einrichtung noch dabei, die Kinder aktiv und altersangemessen in die Auseinandersetzung mit dem Thema Energie einzubeziehen: durch Handreichungen, Materialtipps, Aktionswochen und Mitmachangeboten.



KLIMAFUCHS I KITAS ZEIGEN FLAGGE FÜR DEN KLIMASCHUTZ!
Der KLIMAfuchs ist das Hamburger Energiesparprojekt für Kindertageseinrichtungen. Im Rahmen des Projekts werden Kitas beim Aufspüren von Einsparpotenzialen, bei der Gestaltung von Bildungsarbeit sowie der Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen unterstützt. Informationen zur Teilnahme am KLIMAfuchs gibt es unter www.klimafuchs- kita.


Ein Leuchtturm in der Kita-Landschaft

Für ihre vorbildliche ressourcenschonende Bewirtschaftung und Beschaffung, aber auch für ihre vielfältige Bildungsarbeit wurde die Kita Schatzkinder seit 2013 schon mehrfach von der S.O.F. Save Our Future – Umweltstiftung als KITA21 (siehe Infokasten) ausgezeichnet – seit 2016 fungiert sie sogar als Leuchtturm-Kita. Dirka Grießhaber, Geschäftsführerin der S.O.F. erläutert, warum: »Kindertageseinrichtungen, die von uns als Leuchtturm ausgezeichnet werden, haben sich in hervorragender Weise zu einem Lernort für zukunftsfähiges Denken und Handeln entwickelt. So wie die Kita Schatzkinder. Nachhaltigkeit wird dort fest in den Kita-Alltag integriert und ist institutionell verankert. Bei der Bewirtschaftung und Beschaffung werden Nachhaltigkeitsaspekte umfassend berücksichtigt und die Kita setzt in ihrem Umfeld gezielt Impulse für eine nachhaltige Entwicklung«. Damit sind die Schatzkinder auch ein Wegweiser für andere Kindertageseinrichtungen, die sich mit Nachhaltigkeit auseinandersetzen wollen.




KITA21 I DIE AUSZEICHNUNG FÜR BILDUNG FÜR NACHHALTIGE ENTWICKLUNG
Mit der Bildungsinitiative KITA21 zeichnet die Save Our Future – Umweltstiftung seit 10 Jahren Kindertageseinrichtungen in Hamburg und Schleswig-Holstein aus, die Bildung für eine nachhaltige Entwicklung erfolgreich umsetzen. Informationen zu dem kostenfreien Unterstützungs- und Auszeichnungsverfahren gibt es unter www.kita21. de




Fazit

Sulewski ist stolz darauf, was Sie gemeinsam mit ihren Schatzkindern in den letzten Jahren erreicht hat. »Ich kann für mich persönlich nur anmerken, dass sich meine Lebenswelt seit der starken Auseinandersetzung mit KITA21 komplett verändert und mit jedem einzelnen Projekt weiterentwickelt hat. Als Kita-Leitung ist dies nochmal von besonderer Bedeutung, da ich mich als Motor für Nachhaltigkeit in der Einrichtung sehe und alles ermöglichen möchte, was im Rahmen von Bildung für eine nachhaltige Entwicklung wichtig ist.«

Sulewski ist sich sicher, dass nur durch eine intensive Projektarbeit über einen langen Zeitraum und die gute Beteiligung der Kinder Inhalte von ihnen stärker verinnerlicht werden können. Wichtig sei auch: Je höher die Beteiligung und Mitbestimmung der Kinder ist, desto größer ist der Erfolg. Und desto größer ist die Chance, dass Kinder Zusammenhänge verstehen, behalten und nach Hause transportieren. Denn auch schon die Kleinsten können die größten Veränderungen bewirken. »Unsere Pflicht als Erwachsene ist es, den Kindern eine Welt zu hinterlassen, in der es sich für Tier und Mensch lohnt zu leben. Unsere Aufgabe ist es aber auch, sie dabei zu unterstützen die Welt zu verstehen und auf Herausforderungen der Zukunft vorzubereiten.«






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