Erziehungspartnerschaft aus rechtlicher und ethischer Sicht

Die ganz überwiegende Zahl der Kinder in Deutschland wird nicht nur von ihren Eltern, sondern auch von Erziehungspersonen in einer Tageseinrichtung oder in KindertagespflegeKindertagespflege|||||Kindertagespflege oder Tagespflege umfasst eine zeitweilige Betreuung von Jungen und Mädchen bei Tagesmüttern oder Tagesvätern. Nach dem Tagesbetreuungsausbaugesetz von 2004 ist die Tagespflege neben der Tagesbetreuung in Kindertageseinrichtungen eine gleichwertige Form der Kindertagesbetreuung.  gefördert. Nach dem Selbstverständnis des Kinder- und Jugendhilferechts im SGB VIII sollen die Erzieher/innen und Kindertagespflegepersonen bei ihrer Betreuung „die Erziehung und Bildung in der Familie unterstützen und ergänzen“ (§ 22 Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII). Die Träger von Tageseinrichtungen werden aufgefordert, mit den Erziehungsberechtigten zum Wohl der Kinder und zur Sicherung des Erziehungsprozesses zusammenzuarbeiten. Die Erziehungsberechtigten sollen an den Entscheidungen zu wesentlichen Angelegenheiten der Erziehung, Bildung und Betreuung beteiligt werden (§ 22a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 SGB VIII).

Konzeptionell folgt dies den verfassungsrechtlichen Grundlagen. Danach haben Träger und Fachkräfte in der Kinder- und Jugendhilfe kein eigenes Erziehungsrecht – auch nicht bei der Förderung in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege. Ihr Erziehungsrecht leitet sich von den Eltern bzw. Personensorge- oder Erziehungsberechtigten ab (Wiesner/Wiesner 2015, § 1 SGB VIII Rn. 7; Münder et al./Meysen/Münder 2018, § 1 SGB VIII Rn. 13).

Damit unterscheidet sich die Tagesbetreuung nach SGB VIII grundlegend von Schule. Das Grundgesetz räumt Schule über Art. 7 GG nicht nur ein nachrangiges, sondern ein eigenes Erziehungsrecht ein. In der Kinder- und Jugendhilfe hingegen wird bei der Inanspruchnahme einer außerfamilialen Förderung lediglich das Bildungs- und Erziehungsrecht von den Eltern „übertragen“. Das Recht gibt den Trägern und Fachkräften bei der Wahrnehmung ihres Hilfe- und Förderauftrags ausdrücklich vor, die von den Eltern bestimmte Grundrichtung der Erziehung zu beachten (§ 9 Nr. 1 SGB VIII), also die von den Erziehungsberechtigten für ihre Kinder und sich gewählten Lebensentwürfe, Einstellungen, religiösen und weltanschaulichen Wertvorstellungen etc. zu akzeptieren und in das eigene fachliche Handeln zu integrieren (AGJ 2018).

Die rechtliche Konstruktion eines abgeleiteten Erziehungsrechts strahlt Eindeutigkeit aus. Bei näherem Hinsehen stellen sich allerdings multiple Fragen, wie sich die gesetzlichen Normative in gelebte Rechtswirklichkeit von Erziehungspartnerschaft und Verwirklichung von Kinderrechten in der Tagesbetreuung übersetzen lassen und wie Landesrecht der Umsetzung konkrete Gestalt gibt.

Erziehungspartnerschaft und Kinderrechte

Die Zusammenarbeit zwischen Eltern und pädagogischen Fachkräften bzw. Kindertagespflegepersonen in der Tagesbetreuung ist im Recht also ausdrücklich eingefordert. Die Fachwelt und teilweise auch Landesrecht sprechen hierbei häufig von „Erziehungspartnerschaft“. Kinderrechtebasiert soll sie sein und in diesem Verständnis wird ihr große Bedeutung für das Wohl und die Zufriedenheit der betreuten Kinder beigemessen (Deutsche Liga für das Kind & Save the Children 2017; Deutsche Liga für das Kind & Save the Children 2017a).

Doch welche Bilder begleiten diese sprachliche Verpartnerung zur Erziehung und Bildung? Die Assoziation, dass sich Eltern und Erzieher/innen in Tageseinrichtungen bzw. Kindertagespflegepersonen koordiniert verbinden und damit das Kind erziehen und bilden. Schon das Gesetz sät Zweifel an der Stimmigkeit eines Miteinanders „wie mit einer Stimme“, wenn Tageseinrichtungen und Kindertagespflegestellen aufgegeben wird, orientierende Werte und Regeln zu vermitteln (§ 22 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII). Ideal und Anspruch treffen auf Wirklichkeit. Würden alle Eltern zur Vermittlung ihrer persönlichen Werte und Regeln auffordern, müssten die Erzieher/innen und Kindertagespflegepersonen für jedes Kind je eigene Erziehungs- und Bildungsziele umsetzen. Die natürliche Limitierung der Einflussmöglichkeiten auf Durchsetzung individueller elterlicher Vorstellung zur Erziehung und Bildung ihres Kindes im Gruppengeschehen der Tagesbetreuung liegt auf der Hand.

Hinzu kommen Herausforderungen beim Ausbalancieren ethischer Dilemmata, wenn Fachkräfte die Werte der Erziehungsberechtigten nicht teilen, weil diese mit einer freiheitlich-demokratischen Grundorientierung (potenziell) in Konflikt stehen. Die Erfüllung des Ideals eines abgeleiteten Erziehungsrechts betrifft aber nicht nur Werte und Regeln, sondern auch alltägliche Fragen, etwa wenn Erziehungsberechtigte konkrete Ernährungswünsche oder Hygienevorgaben anmelden, beim pädagogischen Vorgehen mitreden oder sich bestimmte Vorgehensweisen verbieten wollen. Würden Erzieher/innen und Kindertagespflegepersonen allen Vorstellungen der Erziehungsberechtigten in ihrer Vielfalt gerecht werden wollen, stünden sie vor unlösbaren Zielkonflikten.

Zusätzlich kommt es regelmäßig zu Spannungsfeldern, wenn Kinder – wie im Kinder- und Jugendhilferecht ebenfalls ausdrücklich eingefordert (§ 45 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB VIII) – in der Tageseinrichtung oder Tagespflegestelle beteiligt werden. Die von den Kindern geäußerten Wünsche und Ideen der Mitgestaltung des Geschehens in der Tageseinrichtung oder Tagespflegestelle können in Widerspruch stehen zu den elterlichen Erziehungs-, Bildungs- und Betreuungsvorstellungen, etwa wenn Kinder hiervon abweichende Interessen in Bezug auf Mittagsruhe, Ernährung, Spielauswahl oder persönliche Kontakte mit Gleichaltrigen äußern.

Die Dilemmata können sich verstärken, wenn Erzieher/innen bzw. Kindertagespflegepersonen Sorgen der Kinder ernst nehmen wollen (Töpler 2014). Auch hier wird deutlich, dass Erziehungspartnerschaft nicht bedeuten kann, dass Erzieher/innen und Kindertagespflegepersonen stets und jederzeit die Aufträge der Erziehungsberechtigten erfüllen. Bei allem notwendigen Respekt vor den individuellen Erziehungs- und Bildungsvorstellungen in den Familien, die Kinder- und Jugendhilfe wirkt nicht nur an Erziehung mit, sondern auch auf Erziehung ein (AGJ 2018). Erziehungspartnerschaft bedeutet also nicht, dass Erziehungsberechtigte und Erziehungspersonen in der Tagesbetreuung den Kindern geschlossen gegenüber treten. Beide tragen möglichst aufeinander abgestimmt, aber auf je eigene Weise zur Verwirklichung der Rechte der Kinder bei.

Verwirklichung von Kinderrechten in der Tagesbetreuung

Das Übereinkommen über die Rechte des Kindes der Vereinten Nationen von 1989, die UN-Kinderrechtskonvention, ist ein Spiegel der Vielgestaltigkeit der Perspektiven, aus denen Kinderrechte nach Verwirklichung streben. Einerseits bestätigt sie das Konzept des werdenden Kindes mit seinen sich entwickelnden Fähigkeiten und hebt Kinder dabei endgültig aus dem Status der „Besitzobjekte“ ihrer Eltern heraus (Freeman 2009; Holzscheiter 2011). Bei aller Anerkennung der Kinder als eigenständige Persönlichkeiten werden sie bewusst nicht von ihrem familiären Umfeld isoliert betrachtet, sondern diesem ausdrücklich zugeordnet.

So hebt die Präambel hervor, dass „der Familie als Grundeinheit der Gesellschaft und natürlicher Umgebung für das Wachsen und Gedeihen aller ihrer Mitglieder, insbesondere der Kinder, der erforderliche Schutz und Beistand gewährt werden sollte“. Das kindliche Bedürfnis nach Fürsorge und die Abhängigkeit des Kindes von erwachsener, in der Regel elterlicher Fürsorge dient im Verständnis der UN-Kinderrechtskonvention allerdings nicht etwa zur Legitimation für die Nichtgewährung von Rechten, sondern stimuliert die Anerkennung der spezifischen Fähigkeiten und ihrer Förderung als soziale Akteure mit spezifischen Interessen und Fähigkeiten (Committee on the Rights of the Child 2005).

Das werdende Kind ist stets auch kompetentes Kind, das von Beginn an zur Selbstbestimmung fähig und mit personaler Autonomie ausgestattet ist, Entscheidungen für sich zu treffen (Schickhardt 2012). Da Kinder jedoch zugleich abhängig sind und nur fortschreitend Selbstständigkeit erlangen (Fortin 2009), ist Erziehung immer auch eine Dynamik aus Autonomie und Abhängigkeit immanent. Friederike Wapler (2015) spricht von einer paternalistischen Grundsituation. Das Kind lebt in familiären Beziehungen und Abhängigkeitsverhältnissen, sodass die Verwirklichung seiner Rechte in einem Prozess des ständigen Austarierens und Aushandelns von Interessen im familiären und sozialen Lebensumfeld sowie der Lebensbewältigung des Alltags erfolgt.

Das Ausmaß der Fremdbestimmung bleibt hierbei de facto in den Händen derjenigen mit der definitorischen Macht (Liebel 2015). In Konsequenz ist das Kind auch als schutzbedürftiges Kind wahrzunehmen. Der Staat ist zum Schutz zu nicht konsentiertem Eingriff in die Selbstbestimmung von Eltern und/oder Kind verpflichtet (Art. 19 Abs. 1 UN-Kinderrechtskonvention, Art. 6 Abs. 2 GG), um das Mindestmaß an körperlicher und seelischer Integrität des Kindes, an Würde und Selbstrespekt zu wahren (Brumlik 2004; Ziegler 2014).

Achten Erziehung und Bildung sowohl in der Familie als auch in der Tagesbetreuung die Schutzbedürftigkeit des Kindes, sind unterschiedliche Erziehungs- und Bildungsinhalte sowie -methoden für Kinder grundsätzlich kein Problem. Kinder können die Vielfalt als Bereicherung empfinden und auch Widersprüche gut verarbeiten, insbesondere wenn diese auf beiden Seiten reflektiert und dem Kind vermittelt werden (Töpler 2014). Zeigen sich divergierende Vorstellungen zwischen Eltern und Erziehungspersonen in der Tagesbetreuung, kann jedoch mitunter besonders anspruchsvoll sein, nicht nur das werdende, sondern auch das kompetente Kind wahrzunehmen.

Gerade in diesen Situationen hat die Beteiligung und Mitgestaltung des Kindes – ohne es dabei in einen Konflikt unter Erwachsenen hineinzuziehen – einen besonderen Wert. Folgen sie einem Kinderrechteansatz, handeln Eltern und Fachkräfte in der Tagesbetreuung nicht nur aus, welche Bedürfnisse des Kindes sie wie fürsorglich befriedigen, sondern sie achten zum einen das Recht des Kindes auf aktive Beteiligung und ermächtigen das Kind als Träger von Rechten zum anderen, seine Rechte auch einzufordern (ausführlich zum Kinderrechteansatz in der Tagesbetreuung: Maywald 2014). Im Dreieck mit den Eltern und dem Kind manövrieren Fachkräfte somit entlang der Grenzen zwischen paternalistischer, fürsorglicher Belagerung und selbstbestimmungsstärkenden, selbstbefähigenden Hilfeangeboten (Dallmann & Volz 2013; Großmaß 2006).

Die Erzieher/innen und Kindertagespflegepersonen ergänzen nicht nur die elterliche Erziehung, sondern gehen mit ihren Einschätzungen auch in Konkurrenz und bringen diese mit denjenigen der Beteiligten aus der Familie ins Gespräch. Die Intimität des Kontexts der Erziehung, Bildung und Betreuung bei der Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege erfordert daher von den Fachkräften in besonderem Maße Reflexivität auch hinsichtlich der Gefahr einer Kolonialisierung von Lebenswelten (Thiersch 2016; Gängler & Rauschenbach 1986).

Erziehungspartnerschaft im Landesrecht

Für die Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege gibt das Bundesrecht des SGB VIII nur einen Rahmen vor. Nähere gesetzliche Ausgestaltung findet sie im Landesrecht (§ 26 SGB VIII; eingehend zu den gesetzlichen Grundlagen Deutsche Liga für das Kind & Save the Children 2017a). Einige Landesgesetze erheben die partnerschaftliche (und vertrauensvolle) Zusammenarbeit zwischen Erziehungsberechtigten aus den Familien und den Fachkräften in den Einrichtungen sowie der Kindertagespflegepersonen ausdrücklich zur normativnormativ|||||Normativ  bedeutet normgebend, somit wird etwas vorgeschrieben, dass Normen, Regeln oder ein „Sollen“ beinhaltet.en Handlungsorientierung, so in Bayern (Art. 11 Abs. 1 BayKiBiG) oder Nordrhein-Westfalen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 Kibiz NRW). Mecklenburg-Vorpommern (§ 6 Abs. 1 Satz 1 KiföG M-V) und Hessen sprechen explizit von einer Bildungs- und Erziehungspartnerschaft (§ 27 Abs. 1 Satz 2 HessKJGB). Einige Länder verzichten sprachlich auf die Partnerschaftlichkeit und fordern „nur“ eine Zusammenarbeit, so in Berlin (§ 4 Abs. 1 KitaFöG BE) oder in Schleswig-Holstein (§ 16 Abs. 1 KitaG SH). Ähnlich formuliert das Gesetz in Thüringen, wenn es die Wahrnehmung des Förderauftrags in der Tagesbetreuung „im ständigen und engen Austausch mit den Eltern“ einfordert (§ 6 Abs. 2 ThürKitaG).

Die Zusammenarbeit ist nur mit entsprechendem Ressourceneinsatz zu verwirklichen. Dies erkennt das Landesgesetz in Schleswig-Holstein ausdrücklich an, wenn es erklärt, dass für die Zusammenarbeit „angemessene Zeitanteile im Rahmen der dienstlichen Tätigkeit, aber außerhalb der pädagogischen Arbeitszeit mit den Kindern vorzusehen“ sind (§ 16 Abs. 1 Satz 2 KiTaG SH). In Nordrhein-Westfalen ist festgeschrieben, dass „mindestens einmal im Kindergartenjahr“ ein Gespräch mit den Erziehungsberechtigten stattfinden solle (§ 9 Abs. 1 Kibiz NRW), wobei die Regelung als gesetzliche Pflicht zu begrüßen, die Frequenz eher kritisch zu hinterfragen sein dürfte.

Bildungs- und Erziehungspartnerschaft sind in ihrer Ausrichtung wechselseitig, zielen auf einen regelmäßigen und umfassenden Austausch (Hessen), einen Einbezug (Mecklenburg-Vorpommern) oder eine Mitwirkung, Unterrichtung und Beteiligung (Saarland: § 4 Abs. 1 SKBBG SL). Davon heben sich die Länder ab, die lediglich eine einseitige Informationspflicht gegenüber den Erziehungsberechtigten regeln, so beispielsweise in Berlin, wenn sie die Fachkräfte zur regelmäßigen Information über die Entwicklung des Kindes verpflichten (§ 14 Abs. 1 Satz 2 KitaFöG BE; § 9 Abs. 1 Kibiz NRW).

In Nordrhein-Westfalen kommt zum Informieren über den Stand des Bildungs- und Entwicklungsprozesses eine Aufgabe der Beratung und Unterstützung der Eltern und Familien zu wichtigen Fragen der Bildung, Erziehung und Betreuung des Kindes hinzu (§ 9 Abs. 1 und 2 Kibiz NRW), wobei zu fragen sein dürfte, ob damit tatsächlich eine Umkehr des abgeleiteten Erziehungs- und Bildungsrechts gemeint ist, indem Fachkräfte die Eltern instruieren, wie ihre Kinder angemessen gebildet, erzogen und betreut werden. In Hamburg haben Tageseinrichtungen den Sorgeberechtigten Einzelgespräche über den Entwicklungsstand des Kindes, seine besonderen Interessen und Fähigkeiten sowie geplante Maßnahmen zur gezielten Förderung des Kindes anzubieten (§ 24 Abs. 1 KibeG HH). In Bremen ist Eltern – auf einer abstrakten Ebene – ein Recht eingeräumt, „Auskunft über alle für die Betreuung und Förderung der Kinder wesentlichen Angelegenheiten der Tageseinrichtung“ verlangen zu können (§ 13 Abs. 1 Satz 2 Brem-KTG). Berlin und Brandenburg sehen ausdrücklich das Recht der Eltern auf Hospitationen vor (§ 14 Abs. 1 KitaFöG BE; § 6 Abs. 1 Satz 2 KitaG BB). Eltern und andere Erziehungsberechtigte sollen an der Konzeptionsentwicklung sowie deren Umsetzung beteiligt werden, wie die Gesetze in Brandenburg und Bremen explizit herausstellen (§ 6 Abs. 1 Satz 1 KitaG BB; § 13 Abs. 1 Satz 1 BremKTG).

Eine ganze Reihe von Landesgesetzen beschränkt die Zusammenarbeit mit den Eltern jedoch auf Elternversammlungen und/oder Elternbeiräte, so in Baden-Württemberg (§ 5 KiTaG BW), Niedersachsen (§ 10 KiTaG NI), Rheinland-Pfalz (§ 3 Abs. 1 KitaG RP) und Sachsen (§ 6 Abs. 1 SächsKitaG). Das Landesrecht in Sachsen-Anhalt trifft keine Aussagen zur Erziehungs- und Bildungspartnerschaft bzw. sonst zur Zusammenarbeit mit den Eltern bzw. anderen Erziehungsberechtigten. Es sei betont, dass auch bei einer Nichtexistenz entsprechender Regelungen im Landesrecht, die bundesrechtlichen Vorgaben uneingeschränkt Geltung beanspruchen und das Fehlen gesetzlicher Verbindlichkeit keine Aussage darüber trifft, inwieweit die Erziehungs- und Bildungspläne in den betreffenden Ländern die Zusammenarbeit mit den Eltern adressieren.

Schlussfolgerungen

Die Erziehungs- und Bildungspartnerschaft ist ein wichtiges Element zur Verwirklichung von Kinderrechten bei der Förderung in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege. Die Vorstellungen von Eltern und anderen Erziehungsberechtigten des Kindes können vor allem dann in den Gruppenalltag der Einrichtung oder Tagespflegestelle integriert werden, wenn die Konzeption Offenheit für Vielfalt lässt und Zeit einräumt für kontinuierliche Verständigung zwischen den familiären und professionellen Erziehungspersonen.

Da nicht alle Eltern und anderen Erziehungsberechtigten gleichermaßen die Ressourcen haben, ihre Mitwirkung einzubringen, ist die Beteiligung in erster Linie eine Herstellungsaufgabe der Erzieher/innen und Kindertagespflegepersonen. Auch den Kindern in der Tagesbetreuung Räume für Mitgestaltung bei der Verwirklichung ihrer Rechte zu eröffnen, ist als gemeinsame Aufgabe mindestens genauso anspruchsvoll in der Zusammenarbeit von Erzieher/innen in Tageseinrichtungen, Kindertagespflegepersonen und den Erziehungsberechtigten in den Familien. Gelingt das Miteinander, so steckt darin gerade dann Potenzial für die Förderung des Kindes, wenn sich die Vorstellungen über die Erziehung und Bildung unterscheiden. Gelingt den Erwachsenen das Ringen um die Förderung und die Beteiligung der Kinder, ist die Erziehungs- und Bildungspartnerschaft in der Tagesbetreuung eine qualifizierende Bereicherung.



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Übernahme des Beitrags mit freundlicher Genehmigung aus
frühe kindheit 6-2018, S. 43 -47




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