Huberta von Gumppenberg (1910-1999)

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Huberta von Gumppenberg
Huberta Paula Irene Hildegard Maria erblickte am 17. Februar 1910 als jüngstes Kind des Oberstleutnants Hans Philipp Albrecht Hubert Freiherr von Gumppenberg und dessen Ehefrau Hedwig Wilhelmine Huberta Marie, geb. Gräfin von Wolff-Metternich zur Gracht, in Regensburg das Licht der Welt. Sie hatte noch zwei Brüder: Max Hildebrand und Levin. Die tiefgläubige Mutter betätigte sich in kirchlich-caritativer Tätigkeit. Sie weckte in ihrer Tochter schon sehr früh ein soziales Empfinden. Ihrem Stand entsprechend erhielt Huberta die damals übliche Ausbildung: Privatunterricht, Lyzeum und Haushaltungsschule.

Bereits mit 16 Jahren schloss sich die „Freiin“, eine damals übliche Titulierung für unverheiratete weibliche Adelige, der von ihrer Mutter gegründeten Regensburger Jugendgruppe des „Katholischen Deutschen Frauenbundes, Landesverband Bayern“ an. 1929 übersiedelte die Familie nach München. Dort traf sich in der Wohnung der von Gumppenbergs in den Jahren nach 1933 „ein Kreis um den Jesuitenpater Rupert Mayer, bis dieser verhaftet und eingesperrt wurde“ (Gumppenberg 1981, S. 70). In der Landeshauptstadt von Bayern war Huberta von Gumppenberg ab 1929 kommissarische Leiterin des Jugendsekretariats des Katholischen Frauenbundes und absolvierte dort von 1931 bis 1933 die „Sozial-caritative Frauenschule“. Die hochanerkannte Ausbildungsstätte (heute: „Katholische Stiftungshochschule München“) für Fürsorgerinnen wurde von Ellen Ammann gegründet und von ihrer Tochter, Maria Ammann, geleitet.


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„Sozial-caritative Frauenschule“ (Huberta von Gumppenberg vorne rechts)
Nach ihrer Ausbildung arbeitete die Adelige bis 1939 in der Geschäftsstelle des Caritasverbandes der Erzdiözese München und Freising, „also gerade in den Jahren, als alle katholischen Organisationen steigender Unterdrückung ausgesetzt waren, die häufig bis zum Verbot und zur Auflösung führte“ (Gumppenberg 1981, S. 72). Sie unterstützte Gertrud Luckner, eine überzeugte Pazifistin, die 1933/34 dem „Friedensbund Deutscher Katholiken“ angehörte und „im Auftrag der Caritas-Zentrale Freiburg und Erzbischof Gröbner auch in München wie in allen anderen Diözesen Hilfsaktionen für die mehr und mehr bedrohten Juden zu organisieren“ (Gumppenberg 1995, S. 70) hatte. Eine lebenslange Freundschaft verband Huberta von Gumppenberg mit der Widerstandkämpferin, die das Konzentrationslager Ravensbrück überlebt hatte. Zudem stand die Adelige mit Ellen Amman, Helene Weber, Maria Zettler, Christine Teusch, Maria Schmitz, Clara Tausendpfund, Elisabeth zu Guttenberg, um nur einige der vielen großen Persönlichkeiten der katholischen Frauenbewegung zu nennen, in enger Verbindung (vgl. Neugebauer 2002, S. 10).


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Huberta von Gumppenberg und (die große Politikerin) Helene Weber (sitzend)
Ab 1939 war sie als seelsorgerische Assistentin im Dienste der „Katholischen Hochschulgemeinde“ tätig, der sie bis 1975 als hauptamtliche Kraft angehörte. Zudem war sie seit 1937 die 1. Vorsitzende des „Bayerischen Landesverbandes Kath. Kinderhorte und Kleinkinderanstalten“ (heute: „Bayerischer Landesverband Kath. Tageseinrichtungen für Kinder e.V.“). Diese ehrenamtliche Position hatte die Adelige 40 Jahre inne. Während der Zeit der Nazi-Diktatur setzte sich die Baronin, wie sie respektvoll genannt wurde, dafür ein, dass die katholischen Kindergärten nicht gleichgeschaltet und von der NSV („Nationalsozialistische Volkswohlfahrt“) übernommen wurden. Demzufolge war sie den führenden Nazi-Größen ein Dorn im Auge, mitbedingt auch durch ihre Kontakte zu Gertrud Luckner, Rupert Mayer und anderen bedeutenden Personen der katholischen Kirche (vgl. Gumppenberg 1960, S. 4 f). Trotz ihres energischen Einsatzes konnte sie aber bspw. nicht verhindern, dass im Bereich des Erzbistums München-Freising 26 von 39 Kindergärten der „Armen Schulschwestern von Unserer Lieben Frau“ aufgelöst wurden (vgl. Neugebauer 20102, S. 20 ff.). In Erinnerung an diese schwere Zeit schrieb Huberta von Gumppenberg:

„In den Jahren nach der Machtübernahme erschwerte sich die Situation zunehmend, sowohl für den einzelnen Kindergarten, wie auch für den Verband. Die Einrichtungen mussten mit der Auflösung oder mit Übernahme durch die NSV rechnen; am gefährdetsten und oftmals nicht zu retten waren die Kindergärten in kommunaler Trägerschaft. Die Kindergärten in kirchlicher Trägerschaft blieben zum größeren Teil erhalten, teils weil zuerst die Kräfte zur Ablösung fehlten, teils weil die Partei - und das gilt vor allem für die Jahre während des Krieges - letztlich doch die Empörung der Bevölkerung fürchtete. Daß bereits ein geheimer Führerbefehl bestand, alle kirchlichen Einrichtungen aufzulösen, war allgemein bekannt. Was die Verbandsarbeit betrifft, so war auch diese an allen Ecken und Enden beengt ... Bei der letzten Tagung vor dem Krieg, in Augsburg, wurden wir von der Gestapo gesprengt. Sie kamen - 10 Mann stark - und beschlagnahmten alles Geld, alles Material, auch alle privaten Notizen der Zuhörer. Ich selber bekam ein Verfahren angehängt und musste mich bei der Gestapo in München verteidigen. Der Ausgang war völlig ungewiß. Dann kam im September 1939 der Kriegsbeginn und nach einigen Wochen eine allgemeine Amnestie für alle derartigen Vergehen. Von diesem Zeitpunkt an waren aber keine Veranstaltungen mehr möglich - außer ganz kleine, verschwiegene Kreise, auch unser umfangreicher Schriftverkehr wurde fast ganz lahmgelegt, schon durch die rigorose Beschneidung der Papierzuweisungen, Trotzdem gelang es uns... wenigstens den jährlichen Vorweihnachtsbrief mit Arbeitsanregungen an alle Mitglieder zu versenden“ (Gumppenberg 1987, S. 6).

Die überzeugte Katholikin war den Nazis auch wegen ihrer Veröffentlichungen unangenehm. So schrieb sie im Kriegsjahr 1940 die damals durchaus mutigen Worte, dass Gott „unser aller Vater ist, weil er uns das Leben geschenkt hat, als Schöpfer und noch einmal in überströmenden Reichtum in der Erlösung Christi. In diesem Gedanken der Vaterschaft Gottes liegt zugleich auch die Sicherung gegen jeden Feindeshaß, vor dem wir die Kinder bewahren müssen. Wer in Kriegszeiten die Kinder vor dem Haß behütet, hilft zugleich, seinem Volk den Frieden in der Zukunft zu sichern. Nur da, wo die Seele rein von jeglichem Haß ist, kann die wahre Caritas ihre Früchte bringen“ (Gumppenberg 1940, S. 15).

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Raumteil Kaufladen in einem katholischen Münchener Kindergarten (Bildquelle: Archiv Verband katholischer Kindertageseinrichtungen Bayern e.V.)
Nach dem Zusammenbruch der Nazi-Diktatur galt das Interesse der Baronin vor allem der Erneuerung der katholischen Kindergartenpädagogik. Diesbezüglich organisierte sie als 1. Vorsitzende des „Bayerischen Landesverbandes katholischer Kindertagesstätten e. V.“ Fortbildungsveranstaltungen in allen Kirchenprovinzen Bayerns. Sie setzte sich dafür ein, dass die seinerzeit hochaktuellen Methoden der sozialpädagogischen Arbeit, nämlich das „Raumteilverfahren“, d. h. die Teilung des Gruppenraumes in einzelne kleinere Spiel-/Aktivitätsbereiche, und die „nachgehende Führung“ Einzug in den katholischen Vorschuleinrichtungen hielt. Die genannten pädagogischen Ansätze wurden nach 1945 von den österreichischen Kindergärtnerinnen Margarete Schmaus und Mater Margarete Schörl erprobt und publik gemacht. Gerade die von den beiden Pädagoginnen propagierte gewaltfreie Erziehung war seinerzeit, wie die Baronin sich erinnerte, „geradezu revolutionär, war doch eine gesunde ‚Watschn‘ [Ohrfeige, M. B.] noch lange ein selbstverständliches Erziehungsmittel, nicht nur in Familie und Schule, auch im Kindergarten“ (zit. n. Neugebauer 2002, S. 15). Die Adelige konnte für die ausgeschriebenen „Kurse für Kindergartenpädagogik“ immer wieder Mater Margarete Schörl gewinnen (vgl. Neugebauer 2002, S. 34 ff.). Noch heute orientieren sich viele katholische Kindergärten an der „Schmaus/Schörl-Methode“.

Am 15. Januar 1986 berichtete die Fernsehsendung „Panorama“ des Norddeutschen Rundfunks über die Situation der Kindergärten in der BRD. Dabei wurden die Einrichtungen für Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren so geschildert, als seien alle untragbar überfüllt und würden ausschließlich nach veralteten, sich auf die Kinder verheerend auswirkenden Methoden geführt. Insbesondere der Vorwurf, dass die Kindergartenkinder nicht schon das Lesen erlernen und sie dadurch der „Verdummung“ ausgeliefert wären, sorgte für Furore. Gegen diese Diffamierung des Kindergartens protestierte Huberta von Gumppenberg vehement. Sie verwahrt sich vor allem gegen die Behauptung, „daß alle modernen Fachpsychologen und Pädagogen die dargestellte Auffassung von der ‚Verdummung der Kinder‘ teilen. Dies entspricht in keiner Weise dem augenblicklichen Stand der Diskussion. Dr. Lückert wird gerade aus den Kreisen der Fachleute (Wissenschaftler und Praktiker) angegriffen. Ich verweise hier auf das Sonderheft UNSERE JUGEND (6/1967), eine unserer angesehensten Fachzeitschriften, auf die folgenden Hefte UNSERE JUGEND (auch 1/1968) und die sonstigen Stellungnahmen so bekannter Psychologen und Pädagogen wie Dr. Pichottka, München, Dr. Kietz, Münster u.a.m. Bei einer Sendung wie PANORAMA wäre zumindest zu erwarten gewesen, daß die Tatsache einer solchen wissenschaftlichen Auseinandersetzung erwähnt worden wäre. Es ist außerordentlich bedauerlich, daß die Sendung PANORAMA mit einer derartigen Oberflächlichkeit arbeitet, die sich kein anderes Publikationsmittel leisten könnte“ (Gumppenberg 1968, S. 65).


Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit von Huberta von Gumppenberg lag auf der religiösen Vorschulerziehung. Diesbezüglich schrieb sie:

„Wenn wir fragen: wie lernt das Kind glauben?, so lautet die Antwort ähnlich wie auf die Frage: wie lernt das Kind sprechen? Nämlich: indem wir mit ihm reden! So ist es auch mit dem Glauben: das Kind lernt glauben, indem wir mit ihm glauben, indem wir das Kind teilhaben lassen an unserem eigenen Glauben. Bei welchen Eltern oder bei welcher Erzieherin lernt das Kind besser beten? Bei jener, die während des Gebetes immer wieder zur Ordnung ruft: Schau nicht herum, halte die Hände schön, sei bei der Sache! - oder bei jener, die sich selbst im Gebet mit den Kindern bewusst in die Gegenwart Gottes stellt und so das Kind in die eigene Haltung der liebenden Ehrfurcht hereinholt. So ist es auch mit dem Glauben: nicht das Reden über den Glauben, sondern das Miteinander-Glauben ist das Entscheidende ... In den vergangenen Jahren haben wir uns angewöhnt, auch in der Kleinkindererziehung nach der unmittelbaren Effektivität, nach dem Erfolg unseres Bemühens zu fragen. Wir führen Kontrollen ein, ähnlich wie in der Schule oder - mehr noch - wie bei einem Computer, den wir gefüttert haben. Dieses Prüfen und Kontrollieren ist im Kleinkindalter immer eine gewagte Sache, denn das Kind lernt in diesem Alter nach anderen Gesetzen: nicht in logischen Schritten, nicht eine Erkenntnis auf der anderen aufbauend, sondern punktuell, mosaikartig, ein Steinchen hier, ein Steinchen dort, und erst sehr viel später vollendet sich das Bild. Wie soll man hier kontrollieren? Jeder, der mit Kindern zu tun hat, wird immer wieder überrascht von der ‚Sprunghaftigkeit‘ und Unberechenbarkeit ihres Denkens. Dieses Gesetz gilt auch und erst recht im religiösem Bereich. Eine ketzerische Frage: wir rufen immer wieder nach Curricula für die Religionspädagogik. Haben wir schon einmal geprüft, ob Curricula im Kleinkind überhaupt möglich, richtig, brauchbar sind, und wenn dies bejaht werden könnte (was m. E. noch nicht bewiesen ist), ob sie dann auch für religiöse Erziehung anwendbar sind?“ (Gumppenberg 1975, S. 123 f).

Für ihr soziales Engagement wurde die Adelige mehrmals geehrt: 1977 mit dem Silbernen Brotteller des Deutschen Caritasverbandes, 1978 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande und 1981 mit dem Bayerischen Verdienstorden 1. Klasse.

Huberta von Gumppenberg starb am 14. Juli 1999 in München.
 
 

Literatur

  • Berger, M.: Führende Frauen in sozialer Verantwortung: Huberta von Gumppenberg, in: Christ und Bildung 2000/H. 3, S. 27
  • Ders.: Jugendarbeit in der Nazizeit. Huberta Freiin Gumppenberg (*1910): geschätzt wegen ihrer großen sozialen Erfahrungen, in: Caritas-Kalender 1998; S. 23
  • Gumppenberg, H. v.: Caritas im Kriege, in: Kinderheim 1940/H. 1, S. 15-17
  • Dies.: „Misere der Kindergärten“, in: Welt des Kindes 1968, S. 63-65
  • Dies.: Erdachtes und Gelesenes zur Religionspädagogik, in: Bayerischer Landesverband kath. Kindertagesstätten e.V. (Hrsg.): Religionspädagogik. Praxis der Bibelrunde, München 1975, S. 123-129
  • Dies.: Rückschau auf 70 Jahre Landesverband. Die Kindergartenschaukel, in: Jubiläumszeitung. Bayerischer Landesverband katholischer Kindertagesstätten e.V., München 1987, S. 6-7
  • Dies.: Geschützt durch das Schild der Caritas, in: Caritasdienst 1960/H. 1, S. 4-5
  • Dies.: Erinnerungen an Dr. Gertrud Luckner, in: Caritasdienst München 1995/H. 4, S. 70
  • Gumppenberg, L. v.: Geschichte der Freiherren von Gumppenberg 1881-1981, Altmühldorf 1981
  • Neugebauer, G.: Huberta von Gumppenberg und ihr Beitrag für den katholischen Kindergarten in Bayern, Augsburg 2002 (unveröffentl. Diplomarbeit)


Anmerkung:
Die beigefügten Fotos hat Huberta von Gumppenberg dem Ida-Seele-Archiv übereignet.




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