Vertrauen, respektieren, offen kommunizieren

Reflexion im Team


Reflexion im Team bedeutet weit mehr als nur „darüber zu reden“. Ist der Umgang miteinander von gegenseitigem Vertrauen und Respekt geprägt, werden die Sachverhalte möglichst objektiv, unbefangen und wertfrei dargelegt, wird zugehört und offen kommuniziert, kann eine Teamreflexion erheblich motivieren und zusammenschweißen.

Wenn ich an Reflexion im Team denke, fällt mir leider zuallererst ein Negativereignis ein: Ich denke daran, wie ich in einer gemeinsamen Teamsitzung erzählte, mit einer Gruppe von Kindern Schwierigkeiten zu haben, und die Leiterin sofort kontert: „Nein, mit dieser Gruppe hatte ich noch nie Probleme!“

So schnell war wohl noch nie eine Unterhaltung im Keim erstickt und beendet, denn wer will schon in einem Umfeld wie diesem über spezifische Problemsituationen sprechen und sich Rat aus dem Kollegium holen.

Ausgangssituation für gelingende Reflexion im Team ist nämlich vor allem eine von gegenseitigem Vertrauen und Respekt getragene Atmosphäre und der Wille und das Bemühen eines jeden einzelnen Teammitgliedes, ausgewählte Sachverhalte möglichst objektiv, unbefangen, wertfrei und vor allem in einem respektvollen Umgang miteinander zu analysieren und zu diskutieren. Auch Menschen sind grundsätzlich eher bereit, ihr Verhalten zu ändern, wenn deren Persönlichkeit gewürdigt wird.

Es gibt unterschiedliche Gründe, die eine Teamreflexion hemmen können – die Zusammensetzung des Teams, die mangelnde Fähigkeit einzelner Mitglieder zur selbstkritischen Betrachtung; mich hinderte die Führungskraft an einem gewinnbringenden Austausch im Kollegium, weil sie es nicht verstand, unsere Kommunikation zu fördern. Denn diese kann durchaus von verschiedenen Faktoren begünstigt werden – und davon soll im Folgenden die Rede sein.

Warum Reflexion?

Besonders in pädagogischen Handlungsfeldern ist die Fähigkeit zur Reflexion – allem voran die Entwicklung von Selbstreflexion in Verbindung mit kritischem Denken – eine wesentliche Aufgabe, um die Qualität der eigenen Arbeit und somit pädagogische Professionalität zu gewährleisten. Die eigenen Handlungsmotive sowie bevorzugte Denkmuster in pädagogischen Interaktionen und auch bei Konflikten zu überdenken, lohnt sich allemal.

Was ist Reflexion?

Für den Begriff Reflexion finden sich je nach Fachgebiet verschiedene Definitionen. Eine Reflexion kann man mit Fred Korthagen bezeichnen als einen „mentalen Prozess der Strukturierung oder Restrukturierung einer Erfahrung, eines Problems oder bereits existierenden Wissens oder Erkenntnisse“ (Korthagen 1999, S. 193). Bernadette Dilger beschreibt Reflexion als eine „Modifikation der eigenen Person zugunsten eines geänderten Blickwinkels“, welcher in weiterer Folge neue Einblicke ermöglicht (vgl. Dilger 2007, S. 10). Es handelt sich also immer um eine Auseinandersetzung, um ein prozesshaftes Geschehen, währenddessen es zu einem veränderten Verhalten kommen kann, das einen jedoch in jedem Fall persönlich weiterbringt, da es zu einer Weiterentwicklung der eigenen Persönlichkeit führt. Arbeitet ein pädagogisches Team gut zusammen und herrscht ein freundschaftlich-kollegiales Verhältnis, so wird dies auch von Eltern und Kindern in positiver Weise wahrgenommen.

Die Diplompsychologin Annika Scholl schreibt zu diesem Thema: „Ergebnisse aus dem organisationalen Kontext zeigen, dass Arbeitsteams, deren Teammitglieder häufiger reflektieren, eine höhere Leistung und Kreativität zeigen. Dieser Effekt wird unter anderem dadurch erklärt, dass sich Personen im Team mit zunehmender Reflexion vermehrt untereinander über ihre Vorgehensweisen austauschen und ihr Verhalten besser aufeinander abstimmen, was wiederum in einer besseren Leistung resultiert“ (Scholl 2011, S. 1). Scholl versteht Reflexion im Team als einen Prozess, bei dem sich die beteiligten Personen bewusst mit ihren Erfahrungen auseinandersetzen, ihre herkömmlichen Verhaltensweisen überdenken, sich bei Bedarf Alternativen dazu überlegen und
im Team Ideen für Verbesserungen entwickeln.

Die Teamreflexivität

Die sogenannte „Teamreflexivität“ beschreibt das Ausmaß, in dem die Teammitglieder regelmäßig ihre Zusammenarbeit durchdenken und das eigene bzw. gemeinsame Vorgehen an die gegebenen Umstände anpassen. Bei dieser vielseitig einsetzbaren Methode werden sowohl die Expertise als auch die Ideen der einzelnen Teammitglieder zur Verbesserung von Arbeitsabläufen genutzt (vgl. Scholl 2011).

Meistens gibt es konkrete negative Ausgangspunkte für eine gemeinsame Reflexion – z. B. Situationen, die einen konkreten Handlungsbedarf erfordern (Missstände in den Arbeitsabläufen oder Negativerlebnisse). Unbedingt sollten jedoch auch positive Erlebnisse als Anstöße für Teamreflexionen genutzt werden: Warum ist z. B. etwas Bestimmtes besonders gut gelungen? Solchen Reflexionen sind nicht nur wertvolle Erkenntnisse für die zukünftige Arbeit zu verdanken. Sie können auch dazu verhelfen, Erfolgserlebnisse bewusst wahrzunehmen – und diese sind wichtig, weil sie die Zufriedenheit, die Motivation, das Selbstvertrauen eines jeden Einzelnen ebenso wie den Zusammenhalt des Teams steigern.

Bei der Teamreflexivität sollte bedacht werden, dass sich die Reflexion v. a. auf jene Aspekte konzentrieren soll, welche jede Person selbst beeinflussen und somit auch verändern kann; ebenso, dass nicht nur im Team, sondern auch individuell über die Zusammenarbeit reflektiert werden kann und soll. Studien belegen, dass auf diese Weise die Teamreflexivität deutlich gesteigert werden kann (vgl. Scholl 2011).

Was macht eine gelungene Reflexion aus?

Die gründliche Beleuchtung einer Situation, eine „multilaterale Betrachtung“, kann helfen, aus Vergangenem zu lernen (vgl. Hosse 2011). Folgende Kriterien sind für eine erfolgreiche Teamreflexion notwendig:

1. Die Situation und deren Beschreibung (Ort, Zeit, beteiligte Personen sowie Verlauf der Situation).

2. Konkrete Fragen, z. B.:
  • Wie haben sich die teilnehmenden Personen in der betreffenden Situation verhalten?
  • Welche Gründe gibt es für das jeweilige Verhalten in der behandelten Situation? Wie hat sich das spezifische Verhalten auf andere bzw. auf den weiteren Verlauf ausgewirkt?

3. Einen Blick auf das pädagogische Verhalten der Beteiligten werfend, werden des Weiteren folgende Fragen gestellt:
  • In welcher Verfassung befanden sich die Beteiligten zum gegebenen Zeitpunkt (psychisch und physisch)?
  • Wie hat das jeweilige Verhalten die Situation beeinflusst (positiv und negativ)?
  • Wen oder was verstehen wir (als Beteiligte oder auch Außenstehende) jetzt durch diese Form des Nachdenkens besser und wie?

4. Betreffend die Fortführung der pädagogischen Arbeit werden folgende Fragen gestellt:
  • Was wäre in einer ähnlich gelagerten Situation beim nächsten Mal anders zu machen? Warum? Und wie?

5. Für die weiterführende Arbeit am Fall können sich folgende Fragen ergeben:
  • Wird von einem oder mehreren Teamteilnehmern eine konkrete Nachbereitung oder Hilfestellung benötigt? Wie kann die Arbeit gut und sinnvoll fortgesetzt werden?

Natürlich werden nicht bei jeder Reflexion alle Punkte genau und ausführlich behandelt. Hierbei handelt es sich grundsätzlich um einen Leitfaden, der im Speziellen beim Erlernen von Reflexion eine Hilfestellung bieten soll. Ansonsten kommt es immer auf den speziellen Schwerpunkt und den konkreten Grund einer Reflexion an (vgl. Hosse 2001, S. 1).

Voraussetzung für Reflexion

Einen guten Nährboden für konstruktive und hilfreiche Reflexion im Team bietet in erster Linie eine kollegiale und offene Kommunikation, die geprägt sein sollte von gegenseitigem Verständnis, Vertrauen und Empathie. Zudem empfiehlt sich keine fehlerzentrierte, sondern eine lösungsorientierte Herangehensweise.

Ein Team bereichert die persönliche Sichtweise und ein Perspektivenwechsel erweitert den eigenen Blickwinkel ungemein. Je vielfältiger das Team ist, desto vielschichtiger, ja multidimensionaler können die Perspektiven sein, denn je nach Alter, Geschlecht, Herkunft, Werdegang, Erfahrungen, Ausbildung usw. ist der Zugang zur besprochenen Thematik ein anderer. Und grundsätzlich gilt: Die Erweiterung des eigenen Horizontes ist in jedem Fall eine Bereicherung. Hierbei ist es wichtig, sich sowohl in positiver als auch negativer Weise mit der jeweiligen Situation auseinanderzusetzen und positive und negative Beobachtungen zu beschreiben. Zudem lohnt es sich, Sachverhalte explizit weiter- bzw. fertig zu denken – im Sinne eines Analysierens und Interpretierens. Anschließend müssen die aus der Reflexion gewonnenen Erkenntnisse in zukünftige Handlungen einbezogen werden.

Ziele der Reflexion

Im Idealfall führt Reflexion im Team zu einem Kompetenztransfer zwischen den einzelnen Gruppenmitgliedern und dazu, dass sich die einzelnen Teilnehmerinnen gegenseitig motivieren und ermutigen, für das jeweilige Problem oder den Konflikt mögliche Lösungen zu eruieren. Gemeinsam nach Lösungswegen zu suchen und optimalerweise auch welche zu finden, schweißt zusammen und gibt in scheinbar ausweglosen Situationen neue Kraft. Das Gefühl wird vermittelt: Ich bin mit diesem Problem nicht alleingelassen, es geht auch anderen vielleicht ähnlich wie mir und gemeinsam schaffen wir das.


Literatur

  • Dilger, Bernadette: Der selbstreflektierende Lerner. Eine wirtschaftspädagogische Rekonstruktion zum Konstrukt der „Selbstreflexion“. Wirtschaftspädagogisches Forum. Band 33. Eusl-Verlagsgesellschaft, 2007
  • Korthagen, Fred A. J.: Linking Reflection and Technical Competence. The Logbook as an Instrument in Teacher Education. In: European Journal of Teacher Education. Vol. 22. No. 2/3. p. 191-207. 1999.
  • Lütje-Klose, Birgit/Willenbring, Monika: Reflexionsinstrumente für kooperativ arbeitende Teams. In: Behindertenpädagogik. 38/1999. S. 2-31. Abrufbar unter: http://sts-lg-so.de/files/Reflexionsinstrumente-fuer-kooperativ-arbeitende- Teams.pdf (Stand September 2017)
  • Scholl, Annika: Durch Reflexion gemeinsam zum Erfolg?! 2011. unter: http://wissensdialoge.de/files/2015/12/wissensblitz_7_Reflexion-im-Team.pdf
  • Hosse, Sven: Reflexion (Pädagogik). Handout. Pädagogische Hochschule Salzburg. 2011. unter: http://www.phsalzburg.at/fileadmin/PH_ Dateien/FB_Informatik_im_Studium_BEd/material/Reflexion.pdf

Übernahme des Beitrag mit freundlicher Genehmigung aus klein&groß  11-2017, S. 6-10


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