Wilhelm Middendorff (1793-1853)

Vergeblich sucht man in der (historischen) Fachliteratur zur Kindergartenpädagogik nach ausführlichen Hinweise über Leben und Wirken Wilhelm Middendorffs. Der Pädagoge ist so gut wie vergessen, „gleichsam nur noch eine ‚Fußnote‘. Und zwar eine ‚Fußnote‘ in den Werken über Friedrich Fröbel“ (Höltershinken 2010, S. 7). Bereits 1932 stellte Adolf Sellmann fest:

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Friedrich Fröbels letzte Schülerinnen vor seinem Grab in Schweina (Quelle: Ida-Seele-Archiv)
„Als Middendorff und Fröbel noch wirkten, da nannte man kaum Fröbel, ohne daß man nicht zugleich auch Middendorff mit erwähnt hätte. Heute wird Fröbel allein gelobt und gepriesen, ohne daß man den Namen Middendorff daneben rühmend erwähnt“ (Sellmann 1932, S. 238).

Dabei wurde schon damals in den 1930er Jahren und wird auch gegenwärtig übersehen, dass Wilhelm Middendorff „selbständig einige Schriften verfasst und grundlegende, praktische Aussagen zur Kindergartenpädagogik gemacht hat, die heute noch aktuell und diskussionswürdig sind“ (Höltershinken 2010, S. 7).

In Vergessenheit ist ferner geraten, dass der Pädagoge das weltweit „bekannte Symbol Friedrich Fröbels, die übereinanderstehenden Würfel, Walze und Kugel... schuf“ (Sieler 1966/67, S. 12). Die von ihm entworfene und oft kopierte Symbolik wurde erstmals als Denkmal auf Friedrich Fröbels Grab in Schweina gesetzt: „Ein vergängliches Denkmal! Aber es ist – von Wilh. Middendorff – treffend gewählt“ (Lange/Diesterweg 1855, S. 29).


Leben und Wirken

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Wilhelm Middendorff (Quelle: Ida-Seele-Archiv)
Johann Diedrich Wilhelm erblickte am 20. September 1793 als jüngstes und fünftes Kind des Bauernfreigutbesitzers Dietrich Heinrich Middendorff und dessen Ehefrau Catharina Elisabeth, geb. Schlüter, in Brechten (heute ein Stadtteil von Dortmund) das Licht der Welt. In jungen Jahren musste er „das Vieh hüten... Als die Eltern bemerkten, daß ihr Lieblingssohn mit nicht gewöhnlichen Anlagen begabt sei, stieg in ihnen und besonders in dem Vater der Wunsch auf, derselbe möge sich dem geistlichen Stande widmen und einst in Brechten die Stelle eines Seelsorgers einnehmen“ (Lange/Diesterweg 1855, S. 20 f). Im Alter von 10 Jahren kam der begabte Schüler auf das Archiv-Gymnasium in Dortmund. Er wohnte bei seiner älteren Schwester, die mit dem Juristen Johann Heinrich Barop verheiratete war. Der Schwager hielt den Jungen sehr streng. Er bestimmte auch, dass Wilhelm Middendorff in Jena zu studieren habe. Doch der junge Mann widersetzte sich „seinem gestrengen Schwager, sein Weg führe nach ‚Spree-Athen‘“ (ebd., S. 23), an die am 16. August 1809 auf Initiative des liberalen preußischen Bildungspolitikers Wilhelm von Humboldt durch König Friedrich Wilhelm III. gegründete Universität. Dort hörte er namentlich Johann Gottlieb Fichte, August Neander und Friedrich Schleiermacher. Als 1813 die Befreiungskriege gegen die napoleonische Herrschaft ausbrachen, unterbrach Wilhelm Middendorff sein Studium und schloss sich in Dresden dem Lützow‘schen Freicorps an:

„Im Kriege lernte er Friedrich Fröbel... kennen... Ein Jahr lang war er Krieger. Dann wurde er entlassen mit der Anwartschaft auf das eiserne Kreuz und auf eine Officierstelle, falls er später wieder beitreten werde. Als Napoleon von Elba zurückgekehrt war, meldete sich Middendorff wieder beim Corps, wurde jedoch wegen Ueberfluss an Leuten auf sein Studium zurückgewiesen. Er kehrte hierauf nach Berlin zurück und wurde Hauslehrer bei einem dortigen Banquier“ (ebd., S. 24).

In Berlin weilte auch Friedrich Fröbel, der 1816 überraschend in eine kleine Ortschaft in Thüringen übersiedelte, „um dort die Kinder seines 1813 verstorbenen Bruders zu erziehen. Er gründete in Griesheim die ‚Allgemeine deutsche Erziehungsanstalt‘, ein privates Erziehungsheim, das er 1817 nach Keilhau, ein in einem Seitental der Saale in der Nähe von Rudolstadt gelegenes Dorf, verlegte“ (Höltershinken 2010, S. 21). Im Jahre 1817 folgte Wilhelm Middendorff, „gegen den Wunsch und trotz der flehentlichen Bitten seiner Eltern“ (Lange/Diesterweg 1855, S. 24), dem Ruf Friedrich Fröbels, um ihn in seiner Erziehungsarbeit zu unterstützen:

„Middendorf war durch das Wort des bewunderten Freundes, er habe die ‚Einheit des Lebens gefunden‘, bestochen worden. Es gab dem jungen Philosophen zu denken, und weil er empfand, daß er diese Einheit noch vergeblich suche, und sich unbefriedigt fühlte, hoffte er ihrer durch den Mann, der ihm alles geworden war, und in seiner Nähe teilhaftig zu werden. Und sein Wunsch ging in Erfüllung; denn als Erzieher wuchs er gleichsam in seine Devise hinein: ‚Klar, Wahr und lebenstreu‘. Middendorf gab wenig auf, als er Fröbel folgte“ (Ebers o. J., S. 235)

1826 heiratete Wilhelm Middendorff Albertine Fröbel, eine Nichte von Friedrich Fröbel. Aus der Ehe gingen sieben Kinder hervor, wovon vier am Leben blieben. Im Mai des Jahres 1831 verließ Friedrich Fröbel überstürzt Keilhau in Richtung Schweiz, wo er eine Erziehungsanstalt in Wartensee bei Luzern eröffnete und die im Mai 1833 nach Willisau verlegt wurde. Dorthin ging 1835 Wilhelm Middendorff mit seiner Schwägerin Elise Fröbel:

„Als er dort ankam, gebot ihm ‚die Idee‘, in Willisau die Hand mit an das Werk zu legen... Fast vier Jahre lebte er getrennt von Weib und Kind, und ohne die Seinigen auch nur ein einziges Mal zu sehen, in der Schweiz, um dort die Sache zu stützen“ (Lange/Diesterweg 1855, S. 17).


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Das „Unterhaus“, die Keimzelle von Keilhau (Quelle: Ida-Seele-Archiv)
Nach Thüringen zurückgekehrt blieb Wilhelm Middendorff Lehrer in Keilhau und setzte sich entschlossen für die Kindergartenidee ein. Diesbezüglich unternahm er, oft zusammen mit Friedrich Fröbel, ausgedehnte Reisen durch ganz Deutschland. Ein besonderes Anliegen war ihm, dass den sich in Nordwestdeutschland ausbreitenden Kleinkinderschulen/-bewahranstalten durch die Gründung von Kindergärten Einhalt geboten werde. So gab es z. B. im Regierungsbezirk Düsseldorf über 80 Kleinkinderschulen/-bewahranstalten.

Ihre ausgeprägte Verbreitung „im Rheinland ist in erster Linie auf THEODOR FLIEDNER... und seine Kaiserwerther Anstalten zurückzuführen“ (Lehnemann 2001, S. 115), die u.a. sehr erfolgreich Leiterinnen für vorschulische Einrichtungen ausbildeten. Federführend beteiligt war Wilhelm Middendorff an der Gründung eines Kindergartens in Lünen, den ersten „in Nordwestdeutschland, der dritte in Preußen“ (Lehnemann 2000, S. 5). Der Kindergartenmitinitiator aus Keilhau teilte brieflich „bis ins einzelne gehende Vorschläge z. B. für die Eröffnungsfeier des Kindergartens zu unterschiedlich angenommenen Terminen... die passenden Maße für Tische und Bänke [mit; M. B.] und [schlug; M. B.] sogar eine Antwort für Marie Christ [Leiterin der Einrichtung; M. B.] auf die Ansprache des Vorsitzenden bei der Eröffnung [vor; M. B.]. Am 12. Januar 1847 konnte schließlich der Kindergarten eröffnet werden“ (ebd., S. 21). Zudem hatte der Pädagoge, um noch eine weitere Aktivität unter den vielen zu nennen, an des Kindergartenstifters Konzeption der Spiel- und Beschäftigungsgaben sowie an der Sammlung der „Mutter-und Kose-Lieder“ mitgewirkt (vgl. Höltershinken 2010, S. 107). Auch war er aktiv im Geschehen des Blankenburger Kindergartens beteiligt. Dabei scheint Wilhelm Middendorff im Gegensatz zu Friedrich Fröbel, wie Ida Seele sich erinnerte, der befähigtere Pädagoge gewesen zu sein:

Es war „eigentümlich, Fröbel ein Bewegungsspiel leiten oder spielen zu sehen, im Gegensatz zu Middendorff. Letzterer verstand es meisterhaft, sich in die Kindernatur zu versenken, selbst Kind mit den Kind zu werden und doch Herr zu bleiben der kleinen Schar und dabei sie doch für das auszuführende Spiel stets zu ermuntern und zu begeistern. Fröbel dagegen war so in den Geist, in die Idee des Spiels versunken, daß er selbst spielte wie ein gutes, sinniges Kind, das aber von den anderen Kindern nichts weiß und die anderen Kinder sich ebenso sinnig und willig denkt, wie es selbst ist. Er sah dann z. B. nicht, daß ein oder das andere Kind gar nicht mehr mitspielte, oder gar nicht so spielte, wie er es wohl wünschte. Er munterte kein Kind auf, sondern spielte ruhig und stetig weiter, ohne auf die Allgemeinheit zu achten“ (zit. n. Heiland 1982, S. 184 f).

Nach Friedrich Fröbels Tod, der am 21. Juni 1852 eintrat, führte Wilhelm Middendorff des Verstorbenen Vermächtnis weiter. Er verlegte u. a. die im Schlösschen Marienthal untergebrachte „Anstalt für allseitige Lebenseinigung“, eine Ausbildungsstätte für Kindergärtnerinnen, nach Keilhau. Dort wurden nun unter seiner Leitung und mit der Hilfe dortiger Lehrer Kindergärtnerinnen für ihren Beruf vorbereitet. Die international bekannte Fröbelpädagogin Eleonore Heerwart hielt über ihre Ausbildung in ihrem Tagebuch fest:

„Herr Middendorff zeigte uns, indem wir die Einleitung zu dem Buch der Mutter- und Koselieder lasen, das Bedürfnis nach den Kindergärten oder überhaupt nach einer neuen naturgemäßen menschlichen Erziehung. Überhaupt habe ich die Freude zu erfahren, daß der Kindergarten das ist, was er nach den Vorstellungen, die ich davon gehabt, sein muß. Gegenüber den Vorwürfen seiner Gegner erkenne ich immer mehr, daß sein Wesen die Freiheit (der Entwicklung) ist, wenngleich es oft geschehen mag, daß diese Freiheit nicht gebraucht wird“ (zit. n. Heerwart 1891, S. 150).

Daneben reiste Wilhelm Middendorff u.a. nach Kassel, Marburg, Frankfurt/Main, Darmstadt, Karlsruhe, Baden-Baden oder Wiesbaden, wo „Kindergärten und Fröbelfreunde begrüßt, Anregungen gegeben, Reden gehalten [wurden]“ (Sellmann 1932, S. 250).

In der Nacht vom 25. Zum 26. November 1853 erlitt Wilhelm Middendorff einen leichten Schlaganfall. Am folgenden Morgen, den27. November 1853, starb er in Keilhau.

Der Kindergarten als „ein Bedürfniß der Zeit“

In enger Zusammenarbeit und im Einklang mit Friedrich Fröbel verfasste Wilhelm Middendorf 1848 die 86 Seiten starke Schrift „Die Kindergärten. Bedürfniß der Zeit, Grundlage einigender Volkserziehung“.

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Quelle: Ida-Seele-Archiv
Die Publikation ist „die erste systematisch begründete, zusammenfassende Konzeption des Kindergartens“ (Holtershinken 2010, S. 78). Sie wurde der 1848 in Frankfurt/Main tagenden Deutschen Nationalversammlung vorgelegt. Damit wollte der Verfasser die Abgeordneten von der Notwendigkeit und Einführung der Fröbel’schen Kindergärten in Stadt und Land überzeugen. Am Beispiel von drei Müttern, einer Mutter von vier sich selbst überlassenen Kindern, einer alleinerziehenden Mutter eines Kindes in einer größeren Stadt, im oberen Stockwerk wohnend, und einer vielbeschäftigten Mutter auf einem Bauernhof, zeigt er auf, „wie Kindergärten entstehen konnten, und wenn sie noch nicht da wären entstehen müßten... ohne daß dadurch den Eltern Veranlassung gegeben zu sein braucht, sich der Pflege und Sorge ihrer Kinder zu entziehen; wie nöthig sie sind, nicht nur für Arme, sondern auch für Reiche, wie sie als ein Bedürfniß erkannt werden nicht nur von Familien, Gemeinden und Städten, sondern wie Lehrer anfangen, ihre Wichtigkeit einzusehen und öffentliche Stimmen immer mehr sich dafür erheben“ (Middendorff 1848, S. 4). Um den verbreiteten Vorwurf, dass die Kinder, die einen Kindergarten besuchen würden „dadurch versäumt [vernachlässigt; M. B.] werden, wenn sie Vor- und Nachmittags einige Stunden daselbst verweilen“ (ebd., S. 5), zu entkräften, schildert Wilhelm Middendorf bilderreich und ausführlich einen Tagesablauf in einem Kindergarten. Dort sollen die Kinder „sich frei bewegen; aber zugleich sollen sie, wie der Name sagt, ähnlich den Gewächsen unter den Augen des verständigen Gärtners, von Einsicht und Sorgfalt und von treuer Liebe möglichst gepflegt werden, daß Leib und Geist dabei gedeihen und das kindliche Gemüth, wie die Blüte in der Knospe, sich unverletzt entfaltet“ (ebd., S. 5 f). Der Tag im Kindergarten folgt festen, jedoch durchaus variablen Regeln: Begrüßung jedes einzelnen Kindes, Morgenkreis, Gebet, „schaffende Thätigkeit“ mit den Fröbel’schen Spiel- und Beschäftigungsgaben, „Zwischenbrod“, Spiel im Freien und im Garten, Arbeit in den Gärten der Kinder, Turn- und Bewegungsspiele; aber auch Arbeit, die eine wichtige „Thätigkeit [darstellt; M. B.], durch die etwas geschaffen wird, was nützlich für das Ganze verwendet werden kann; und dahin muß ebenfalls frühe der Sinn des Kindes gelenkt werden“ (ebd., S. 23). Der Kindergartentag beginnt mit einem Kreis und endet mit einem solchen:

„Die laute Bewegung weicht der stillen Ruhe, der Thätigkeit der Kräfte folgt die Sammlung im einigen Gemüthe. Dem Inneren entsprechend ist die äußere Erscheinung. Wie sie in sich geschlossen stehen, ruhen die Arme an ihrem Körper und falten sich die kleinen Händchen zusammen. Mit Rührung vernimmst du ihren warmen Druck von ihren kindlichen Lippen steigen:

„‘O, wie sind wir doch entzücket,
Daß uns Thätigkeit beglücket:
Euch, ihr Theuern, danken wir,
Unsre Hoffnung ist gewähret,
Lust und Kräfte sind gemehret:
O, wir danken, Vater dir‘“ (ebd., S. 29).

Wilhelm Middendorff weist in seiner Schrift „Die Kindergärten. Bedürfniß der Zeit“ immer wieder auf die Bedeutung des Spiels für die kindliche Entwicklung sowie für die frühkindliche Bildung hin, ob freies Spiel, Bau-, Bewegungs-, Finger-, Natur-, Lauf-, Marschier-, Tanz-, Turn- oder Darstellungsspiele. Für die verschiedenen Spielformen steuerte er eine beachtliche Anzahl praktischen Beispiele bei, die in den seinerzeit gängigen Spiel- und Liederbüchern veröffentlich wurden. Dazu ein exemplarisches Beispiel:

middendorff6 kopieQuelle: Köhler, A.: Die Bewegungsspiele des Kindergartens, Weimar 1895, S. 33Für Wilhelm Middendorff ist im kindlichen Spiel eine „bildende Kraft wirksam“ (Middendorff 1848, S. 17), es ist „ein Spiegel und Sinnbild des Lebens“ (ebd., S. 12). Das Spiel selbst, sein Sinn, seine innere Ordnung sowie Wirkkraft sind bereits im Kind und in seiner Entwicklung, wie in der Natur, als auch allgemein im Menschenleben verborgen vorhanden. Diese Tatsache beschreibt Wilhelm Middendorff wie folgt:

„Die Manichfaltigkeit der Spiele und Beschäftigungsgruppen ruht verborgen in dem treibenden Baume des Kinderlebens, der Knospen die Fülle hat, die alle nach und nach zur Entfaltung drängen; ebenso in dem unerschöpflichen Schatze der Natur und dem Reichthume des Menschenlebens, die sich den Kindern so willig und freundlich öffnen... Über diesen Verschiedenen und Wechselnden aber waltet still der Geist der Wahrheit, des Einklanges und des Friedens, auch aus den flüchtigsten Spielchen “ (ebd., S. 29).

Im Spiel „ahnt“ das Kind des Lebens Sinn, die Ordnung in der Natur und im Menschenleben. Das kindliche „Ahnen“ ist enorm mit seinem Innenleben verbunden. Es bildet „den Weg des Kindes zu den Gesetzen der Natur und des menschlichen Lebens und ist eine Vorstufe der Erkenntnis“ (Höltershinken 2010, S. 94). Diese Feststellung erklärt Wilhelm Middendorff anschaulich im Zusammenhang mit den Spielen der Kindergartenkinder, draußen in „der reichen Fülle der unaufhörlich schaffenden Natur“ (Middendorff 1848, S. 12):

„Nun siehe sie auch auf ihrem Spielplatze ganz frei sich herumtummeln, bald in einzelnen Gruppen im Springen, im Ringen, wie kleine rüstige Turner; bald alle zu vereintem Spiele gemeinsam verbunden. Da haben sie rastlos thätigen Bienen auf ihren Blumen in den Gärtchen gesehen, oder sie haben auf den Zweigen der umschattenden Bäume den singenden Vögeln gelauscht, die bald wieder mit Pfeilschnelle die Lüfte durchsegelt. Das freut ihr Herz, das sind Bilder ihres ämsigen Sinnes, ihres eifervollen Strebens. Darum findest du sie jetzt das Bienenspiel beginnen, was sie mit lieblichem Gesange, sich ordnend, begleiten:

‚Bienen kommen geflogen,
weit sind sie gezogen,
suchen Honig sich:
Sum sum sum; sums um sum.‘

Warum spielen die Kinder das Spiel mit solcher Lust? – die Ahnung füllt ihre Seele: wie die Biene aus den duftigen Blumen den Honig, so saugen sie selber aus der Natur die erquickende, segnende Fülle ein“ (ebd., S. 13).

Und anderen Orts betonte der Pädagoge, wie bedeutsam das frei Spiel für die individuelle Entwicklung des Kindes ist und somit auch der Kindergarten:

„Wie die Blumen sich verschieden entfalten, so zeigt und entwickelt sich in dem freien Spiel jedes Kindes nach seiner eigenen Weise, und Einigung ist das schönste Zeil, zu welcher der Kindergarten ihnen die Hände reicht... Einer siehet und bildet sich durch den Anderen, und alle sehen sich nöthig, dienend und wirksam zu der Darstellung des einen, gemeinsamen Spiels“ (Middendorff 1852, S. 18).

Literatur

  • Ebers, G.: Geschichte meines Lebens. Vom Kind bis zum Manne, Stuttgart/Leipzig/Berlin/Wien o. J.
  • Heerwart, E.: Erinnerungen an eine Kindergärtnerin, in: Kindergarten 1891, S. 147-151
  • Heiland, H. (Hrsg.): Friedrich Fröbel: Vorschulerziehung und Spieltheorie, Stuttgart 1982
  • Höltershinken, D.: Von Spielen, Liedern und Gebeten für den Kindergarten. Wilhelm Middendorff – ein vergessener Pädagoge, Bochum/Freiburg 2010
  • Lange, W./Diesterweg, A.: Wilhelm Middendorff, in: Jahrbuch für Lehrer und Schulfreunde, Berlin 1855, S. 1-79
  • Lehnemann, W.: Die Anfänge außerfamilialer Kleinkindererziehung in Dortmund, in: Friedrich-Fröbel-Museum (Hrsg.): Sind Kinder kleine Majestäten?, Bad Blankenburg 2001, S. 115-142
  • Ders.: Öffentliche Kleinkindererziehung im 19. Jahrhundert: Der erste Kindergarten in Westfalen, in: Friedrich-Fröbel-Museum (Hrsg.): Anfänge des Kindergartens, Bad Blankenburg 2000, S. 5-53
  • Middendorff, W.: Die Kindergärten. Bedürfniß der Zeit, Blankenburg 1848
  • Ders. :Friedrich Fröbels letztes Geburtstagsfest, letzte Lebenswege, Begräbnisfeier, in: Zeitschrift für Friedrich Fröbels Bestrebungen 1852/H. 6, S. 3-47
  • Sellmann, A.: Wilhelm Middendorff als Freund und Erbe Friedrich Fröbel, in: Zeitschrift für Geschichte der Erziehung und des Unterrichts 1932, S. 237-251
  • Sieler, W.: 150 Jahre Erziehungsarbeit in Keilhau, in: Sieler, W./Wille,G./Pätz, E./Deubler, H.: Die Keilhauer Erziehungseinrichtung im Jubiläumsjahr 1966/67, Rudolstadt 1967


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