Bei uns bestimmt das Kind die Eingewöhnung

Der gelungene Übergang von der Familie in die Krippengruppe steht und fällt mit der Eingewöhnung. Hierbei wird das Kind behutsam auf die ihm unbekannte und oftmals sehr herausfordernde neue Situation vorbereitet. Die meisten Krippen arbeiten aktuell nach dem Berliner oder Münchener Eingewöhnungsmodell mit ihren relativ festgelegten Abläufen. Grundsätzlich gehen diese Modelle davon aus, dass die Begleitung des Kindes in der Tagespflege, Krippe oder Kita durch die Eltern oder andere wichtige Bezugspersonen in der ersten Zeit Voraussetzung dafür ist, dass es eine sichere Bindung zu einer ihm bis dahin unbekannten Betreuungsperson aufbauen kann. Diese wird als Bedingung für gelingende Bildungs- und Entwicklungsprozesse gesehen.

Eingewöhnung flexibel gestalten

Auf ein ganz individualisiertes Eingewöhnungsmodell setzt die KiTa Elbtal Schnecken im niedersächsischen Dannenberg. Die im August 2013 mit einer Halbtags- und einer Ganztagsgruppe gegründete Krippe wird von der Heilpädagogischen Betreuung Penkefitz gGmbH getragen und ist in den Räumlichkeiten des alten Dannenberger Krankenhauses untergebracht. Die Öffnungszeiten der im Mai diesen Jahres noch um eine Kindergartengruppe erweiterten Einrichtung liegen zur Zeit zwischen 6:30 und 18:00. Die Randzeiten werden dabei von einer Tagesmutter abgedeckt. „Wir kommen damit dem Bedarf unserer teilweise im Schichtdienst arbeitenden Eltern entgegen“, so Leiterin Cindy Harwardt. Vielfach sind sowohl Vater als auch Mutter berufstätig, einige Familien kommen aber auch aus schwierigen sozialen Lagen oder haben Migrations- bzw. Fluchthintergrund.

Konzeptionell arbeitet die Einrichtung „strikt bedürfnis- und situationsorientiert“ und so „bestimmt bei uns auch das Kind das Eingewöhnungskonzept“ unterstreicht Cindy Harwardt. Unabdingbar sind dafür intensive Erst- und Aufnahmegespräche mit den Eltern. Hier wird ihnen das pädagogische und das Eingewöhnungskonzept der KiTa genau vorgestellt und die Eltern erzählen von ihrem Kind - von seinem Temperament, seinen Vorlieben und Abneigungen oder Ritualen. Eltern werden immer als ExpertInnen ihrer Kinder gesehen. Pro Gruppe sind bei den Elbtal Schnecken jeweils nur zwei Kinder in der Eingewöhnungsphase - damit zum Einen die Eingewöhnungskinder optimal in der Krippe ankommen können und damit zum Anderen die Gruppenkinder eine weiterhin sichere Basis haben.

Dialog mit Eltern hat hohe Priorität

Für die Eingewöhnung der meist um den ersten Geburtstag kommenden Kinder muss sich ein Elternteil mindestens vier Wochen Zeit nehmen (der Partner / die Partnerin kann jeweils flexibel dazu kommen). Am ersten Tag, so Cindy Harwardt, „kommt das Kind, wenn es ausgeschlafen und in guter Verfassung ist“ und bleibt eine gute Stunde mit dem Elternteil in der Krippe und lernt die Räumlichkeiten und seine Bezugserzieherin kennen. In der Regel am vierten Tag, je nach Befindlichkeit des Kindes aber auch früher oder später, kommt es zur ersten Trennung vom Vater oder Mutter. Ab der zweiten Woche übernimmt die Bezugserzieherin die Hauptrolle und beginnt mit der Integration in die Gruppe. Hierbei ist es für die KiTa Elbtal Schnecken „von größter Bedeutung das Kind zu beobachten und seine Bedürfnisse genau wahrzunehmen.“ Damit nicht nur die Kinder gut ankommen, hat in der Zeit der Eingewöhnung auch der Austausch mit den Eltern hohe Priorität. Eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen ErzieherInnen und Eltern vermittelt dabei auch dem Kind: „Wir freuen uns, dass du dich hier wohl fühlst und du gut angekommen bist“.

Anspruch der Krippe ist es, dass die Bezugserzieherin das Kind bis zum Übergang in den Kindergarten begleitet und mit den Eltern stets gut im Kontakt ist. „Das ist allerdings eine riesige logistische Herausforderung“ räumt Cindy Harwardt ein und unterstreicht zugleich „Wir möchten mit unserem Eingewöhnungskonzept den - je nach Ausgangslage und Temperament ganz unterschiedlichen -Bedürfnissen, gerecht werden, denn jedes Kind ist individuell. Individualität hat bei uns keinen zeitlichen festgelegten Rahmen“.

Die Eingewöhnungszeit bei den Elbtal Schnecken kann so zwischen drei und sieben Wochen dauern und es gab auch schon Fälle, wo Vater oder Mutter in der Eingewöhnungszeit fast schon zum festen Bestandteil des Teams geworden sind und die ErzieherInnen im Alltag handwerklich oder hauswirtschaftlich unterstützt haben. „Die Eltern können selbst entscheiden, wann sie nicht mehr mit in die Gruppe kommen möchten“ sagt Cindy Harwardt – und dies kann auch bei Familien mit Fluchterfahrung ein großer Vorteil sein, die sich nach oftmals dramatischen Trennungserlebnissen schwer damit tun, ihr Kind alleine in der Krippe zu lassen.

Konzept passt auch für Kinder und Eltern mit Fluchthintergrund

Bei Kleinkindern mit Fluchthintergrund sieht Cindy Harwardt zunächst einmal die sprachliche Verständigung als Herausforderung. „Manchmal kommen Eltern zu uns ohne sich angemeldet zu haben und wollen ihr Kind gleich dalassen“ erzählt sie. Oftmals sei das System KiTa auch gar nicht bekannt. Für die Erläuterung des bürokratischen Ablaufs und vor allen Dingen für das Erklären des pädagogischen Konzeptes und der Bedeutung der Eingewöhnungszeit sind daher professionelle Dolmetscher unabdingbar. „Die Kinder selber“, so die KiTa-Leiterin, „haben die gleichen Grundbedürfnisse, wie deutsche Kinder. Sie brauchen Vertrauen, Sicherheit und feste Bezugspersonen“ – dies gelte umso mehr nach einer anstrengenden und vielleicht mit schrecklichen Erlebnissen und wechselnden Aufenthaltsorten verbundenen Flucht. Ganz genau hinschauen müsse man daher, ob Kinder möglicherweise traumatisiert seien.

Aktuell sind in der KiTa Elbtal Schnecken geflohene Familien aus Syrien, dem Irak und aus Afghanistan. Wie Cindy Harwardt erzählt, knüpfen sich im Sozialraum zunehmend Netzwerke unter den Flüchtlingen, so dass diese sich gegenseitig unterstützen und informieren könnten. In der Krippe selber seien die Kinder mit Fluchterfahrung schnell integriert und nach den bisherigen Erfahrungen seien die Eltern sehr dankbar für den Austausch und das Willkommensein in unserer Einrichtung. Grundsätzlich konstatiert sie: „In unserer Einrichtung sind alle Kinder und deren Eltern gleich, egal aus welchem Land oder aus welcher sozialen Schicht sie kommen. Wir sehen den Mensch mit seinen Bedürfnissen und seinen Sorgen und Nöten. Unsere Eingewöhnungszeit und unsere Elternarbeit sind genau darauf ausgerichtet!“


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