Willkommenskultur für neue KollegInnen

Den Begriff »Willkommenskultur« verbinden wir vor allem mit der Integration von Flüchtlingen: Wie ist die Begegnung mit ihnen? Wie heißen wir sie willkommen? – »Gleiches gilt in unserem Kindergarten auch für neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter«, berichtet die Berliner Kitaleiterin Barbara Burdorf.


Jede von uns hatte schon einmal einen »ersten Arbeitstag« und kann nachvollziehen, wie es neuen KollegInnen geht. Sie sind gespannt, aufgeregt, erwartungsvoll und vielleicht auch ein wenig ängstlich. Alles ist fremd: die Räumlichkeiten, die Kinder und ihre Familien, die Namen, die KollegInnen, die Regeln, Rituale etc. Deshalb bieten wir neuen KollegInnen – wie Kindern, die neu zu uns kommen ja auch – eine klar definierte Eingewöhnungszeit, um ihnen das Gefühl zu geben: »Wie schön, dass Du nun bei uns bist. Wir sind froh, Dich in unserem Team zu haben.«

Einarbeitung mit Konzept

Die strukturierte Einarbeitung neuer MitarbeiterInnen ist schon seit Langem ein Thema in unserem Team. Dabei ist es uns wichtig, ihnen neben der fachliche Orientierung auch eine soziale Integration in unser Team zu bieten. Es gilt genau hinzusehen, ob es sich um eine Berufsanfängerin oder eine Erzieherin mit Erfahrung handelt. Ob sie eine berufsbegleitende Ausbildung macht, nach längerer Pause wieder einsteigt, aus Berlin oder einem anderen Bundesland kommt. Vielleicht wechselt sie auch aus einem anderen Kindergarten unseres Trägers zu uns und ist schon vertraut mit dem Leitbild, unseren Qualitätsstandards und dem Prinzip des bewegungsfreudigen Kindergartens.

Seit gut einem Jahr gibt es bei unserem Träger ein Konzept zur Einarbeitung neuer MitarbeiterInnen, das uns in diesem Prozess eine wesentliche Unterstützung bietet. Darin werden die Ebenen, die Phasen und die Elemente der Einarbeitung beschrieben und wir finden neben verschiedenen Handouts Protokollbögen für unterschiedliche Gespräche und mehrere Checklisten. Die Einarbeitung neuer MitarbeiterInnen beginnt schon lange vor dem ersten Arbeitstag. Die Kontaktaufnahme zu einer potentiellen neuen Kollegin liegt bei mir als Leiterin und folgt festen Regeln.

Nachdem ich eine Bewerbung gelesen und das Gefühl habe, die BewerberIn könnte gut in unser Team passen, bitte ich sie schriftlich, sich mit mir in Verbindung zu setzen, um ein persönliches Gespräch zu vereinbaren. So hat sie die Gelegenheit, sich in Ruhe über unseren Kindergarten zu informieren, bevor sie einen Termin mit mir abstimmt.

Dem Bewerbungsgespräch folgt immer ein Rundgang durch unseren Kindergarten. Hier nehmen die BewerberInnen recht schnell die Atmosphäre unseres Hauses wahr, die geprägt ist von Offenheit, Herzlichkeit und guter Teamarbeit. Unsere ErzieherInnen wenden sich der Bewerberin zu, stellen sich ihr vor und haben ein freundliches Wort für sie. Danach begleite ich sie in ihre zukünftige Etage, wo sie Gelegenheit hat, sich mit ihren neuen KollegInnen etwas näher bekannt zu machen.

Gemeinsam wird ein Hospitationstermin vereinbart. Schließlich hat die Bewerberin noch einmal Gelegenheit, mit mir ins Gespräch zu kommen.

Die meisten BewerberInnen erwähnen schon nach diesem relativ kurzen Besuch, dass sie das Gefühl hatten, herzlich willkommen geheißen zu werden. Am Tag der Hospitation erlebt die Bewerberin den Tagesablauf, die Arbeit mit Kindern, Eltern und im Team und kann sich entscheiden, ob sie bei uns arbeiten möchte. Ebenso lernt das Kleinteam die potentielle neue Kollegin kennen. Das Kleinteam sieht, wie sie auf die Kinder und Eltern zugeht, welche Schwerpunkte sie in ihrer pädagogischen Arbeit verfolgt und ob »die Chemie« passt. Die Bewerberin und das Team haben dann mindestens eine Woche Zeit, sich für- oder gegeneinander zu entscheiden. Selten benötigen die BewerberInnen diese Zeit. In den meisten Fällen haben sie ihre Entscheidung schon nach dem Hospitationstag getroffen und teilen sie mir mit.

Die endgültige Entscheidung trifft das Team gemeinsam mit mir. Hat eine von uns das Gefühl, die BewerberIn passt nicht zu uns, beraten wir und treffen dann eine Mehrheitsentscheidung. Einig sind wir uns darüber, dass wir niemals eine Kollegin einstellen würden, bei der wir ein ungutes Gefühl haben, nur um eine freie Stelle zu besetzen.

Kurz vor dem ersten Arbeitstag legen wir im Team fest, welche Erzieherin die Patin der neuen Kollegin sein und ihre Einarbeitung intensiv begleiten wird. Ein Personalschrank wird vorbereitet und der Eingangsschlüssel zurechtgelegt.

Das Ankommen erleichtern

Die neue Kollegin wird von Team freundlich empfangen, darf in Ruhe ankommen und sich orientieren. Gemeinsam mit ihrer Patin schaut sie sich erneut in Ruhe unser Haus und das Außenspielgelände an, bekommt erste Informationen über den Tagesablauf und lernt alle neuen KollegInnen des Hauses kennen. Am Vormittag haben wir ein Gespräch im Büro.

Die neue KollegIn bekommt von mir einen Willkommensordner mit unserer Konzeption, unseren Qualitätsstandards, dem Konzept zur Einarbeitung neuer MitarbeiterInnen, einer Telefonliste der Geschäftsstelle, unserer Jahresplanung und der Hausordnung. Um ihr die Orientierung ein wenig zu erleichtern, erhält sie auch eine Liste aller KollegInnen unseres Hauses mit Namen, Zuständigkeiten und Etagenzugehörigkeit. Dann gebe ich ihr Informationen zum Besprechungssystem, zur Dienstplangestaltung und zur Urlaubsplanung. Sie erfährt, wo sich der Erste Hilfe-Kasten befindet und wo im Fall eines Feuers die Fluchtwege sind. Sie bekommt ihren Kita-Schlüssel ausgehändigt und wir planen die nächsten Gesprächstermine. Das sind eine Menge Informationen und Eindrücke.

Damit beenden wir unser Gespräch und ich begleite die neue Kollegin zurück zu ihrer Patin. In den ersten Wochen arbeitet sie eng mit der Patin zusammen, kann sich an ihr orientieren, Fragen stellen und Rat holen. Innerhalb der folgenden Wochen sind unterschiedliche Gespräche eingeplant, die individuell auf sie abgestimmt werden.

Kommt eine ErzieherIn aus einem anderen Bundesland zu uns, wird sie voraussichtlich mehr Unterstützung in der Arbeit mit dem Berliner Bildungsprogramm benötigen. War sie vorher bei einem anderen Träger beschäftigt, muss sie sich intensiv mit unseren Standards beschäftigen. Befindet sie sich in der berufsbegleitenden Ausbildung, wird sie mehr Orientierung und Anleitung brauchen als eine erfahrene Erzieherin.

BerufsanfängerInnen signalisieren uns häufig, dass sie sich nicht gut auf den Beruf vorbereitet fühlen. Sie haben sich zwar umfangreiches Fachwissen angeeignet, hatten aber nicht genug Zeit, dies umzusetzen oder sich in der Praxis auszuprobieren. Ihnen allen gemein ist, dass sie Vertrauen zu ihren neuen KollegInnen fassen, ein »Wir-Gefühl« entwickeln und sich in unserem Team angenommen fühlen können.

Neben den pädagogischen Themen geht es in unseren Gesprächen auch immer um die soziale Integration der neuen Kollegin. Gemeinsam mit der Patin erörtern wir ihre Eindrücke: Wie sie sich in dem Team, mit der Begleitung durch die Patin und mit mir als Leiterin fühlt? Ob und wie sie noch Unterstützung braucht? Immer bekommt die neue Kollegin auch ein Feedback von ihrer Patin und von mir. Bis zum Ende der halbjährigen Probezeit reflektieren wir in mindestens fünf Gesprächen die Arbeit der ersten Wochen.

Gelingt es uns einmal nicht, eine KollegIn gut einzuarbeiten und in unserem Team zu halten, analysieren wir vor dem Abschied, ob bei uns etwas gefehlt hat und worauf wir noch mehr Augenmerk legen sollten.

Recht auf Eingewöhnungszeit

Die Erfahrung hat gezeigt, dass eine gut strukturierte Einarbeitung sowohl für die neue KollegIn als auch für das Team sehr hilfreich ist. Gerade wenn es personell einmal eng ist, ist man sonst leicht versucht, Gespräche zu verschieben.

Unsere gezielte Planung hilft uns, nichts wegrutschen zu lassen. Die Checklisten vermitteln uns das Gefühl, auch wirklich an alles gedacht zu haben – von der Aufsichtspflicht über den Brandschutz bis zum Verhalten bei nicht abgeholten Kindern. Unsere Zuständigkeiten sind klar geregelt, das gibt der neuen KollegIn Sicherheit in ihrer Arbeit. Sie weiß, dass sie jederzeit von mir, ihrem Team und ihrer Patin Unterstützung bekommen kann.

Unserem Team ist es wichtig, neuen KollegInnen beim Start ein gutes Gefühl zu vermitteln, ihnen auf Augenhöhe zu begegnen und ihnen zu signalisieren, dass sie ebenso wie unsere Kinder das Recht auf eine Eingewöhnungszeit haben.

Jede ist willkommen, mit all ihren Besonderheiten. Jede neue Kollegin wird als Bereicherung unseres Teams empfunden. Auch wenn einige KollegInnen sehr schnell in ihrem Kleinteam Fuß fassen, brauchen sie doch ein gutes Jahr, bis sie komplett eingearbeitet sind. Neue KollegInnen reflektieren meistens in ihrem ersten Mitarbeitergespräch mit mir, dass sie nach einem Jahr alle 25 KollegInnen unseres Kindergartens gut kennengelernt haben. Sie haben einen kompletten Jahreszyklus miterlebt, erste Elterngespräche geführt und finden sich in der Umgebung unseres Kindergartens gut zurecht. Erst dann haben sie das Gefühl, angekommen zu sein und sich als voll integriertes Mitglied unseres Teams zu fühlen.

Übernahme des Beitrag mit freuundlicher Genehmigung vom Verlag Das Netz aus Betrifft Kinder 8/9-2016, S. 27-29


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