Theorie-Praxis Bezug als didaktische Aufgabe - ein Abstract

Der folgende Beitrag steht im Zusammenhang mit der SozialdidaktikSozialdidaktik|||||Sozialdidaktik  ist eine eigenständige Didaktik zur professionelle Ausgestaltung von Lehr- und Lernzusammenhängen in sozialpädagogischen Ausbildungsberufen,  die auf dem Kontext von sozialem und pädagogischen Denken, Konzipieren und Handeln basieren.-Tagung in Lüneburg vom 17.09.2010. Die Tagung stellte die sozialdidaktischen Grundlagen der Lehr- und Lernprozessgestaltung sowie dieSozialdidaktikals Arbeitsprogramm in Aus-, Fort- und Weiterbildung in den Mittelpunkt und wurde in Zusammenarbeit des Instituts für Sozialpädagogik der Leuphana Universität und der Landesschulbehörde Lüneburg durchgeführt

 Für die didaktische Realisierung des Theorie-Praxis-Bezuges ist das sozialdidaktische Verständnis von Lehren und Lernen grundlegend.

Der Unterricht im berufsbezogenen Lernbereich in der Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern unterliegt dem Prinzip der „doppelten Vermittlungspraxis“ (Dittrich u.a. 1982) bzw. dem Prinzip des doppelten Theorie-Praxis-Bezuges (Karsten 2003), d.h. die Art und Weise wie die Lehrkräfte die pädagogischen Prozesse und die Beziehung zu den Lernenden im Unterricht gestalten, muss immer vor dem Hintergrund betrachtet werden, dass die Lernenden in ähnlicher Weise als Erziehende in den Kontakt zu Kindern und Jugendlichen treten. Diese Modell-Lernprozesse können eine wichtige Unterstützung für die Lernenden bei der Entwicklung ihrer beruflichen Identität darstellen.

„Jedem didaktischen und methodischen Schritt des Unterrichtens in der sozialpädagogischen Ausbildung kommt gleichzeitig eine eigene Lernqualität für die berufliche Praxis der Schüler zu.“ (Karsten 2003, S. 357)

Die Lehrenden in der Ausbildung stehen unter diesem Blickwinkel in einer besonderen Verantwortung.

Für den Erwerb von beruflichen Handlungskompetenzen ist es dabei notwendig, die Lernorte Praxis und Schule in eine wechselseitige Beziehung zueinander zu bringen. Dieses ist ein zentraler Grundsatz des Lernfeldkonzeptes und Basis der lernfeldstrukturierten Rahmenrichtlinien für den Unterricht in sozialberuflichen Bildungsgängen in Niedersachsen. Darüber hinaus ließe sich der Theorie-Praxis-Bezug auch für die Fachoberschule und das Fachgymnasium mit dem Profilfach Sozialpädagogik thematisieren. Ich werde mich auf die berufsqualifizierende Ausbildung für Fachkräfte im Bereich der Sozialpädagogik beschränken.

Die Ausbildung zur Erzieherin/zum Erzieher ist in Niedersachsen durch eine zweistufige Struktur gekennzeichnet: Die Eingangsvoraussetzung für die zweijährige berufsqualifizierende Berufsfachschule Sozialassistent/in – Schwerpunkt Sozialpädagogik - ist der Realschulabschluss. Der Bildungsgang schließt mit zwei schriftlichen Abschlussprüfungen im berufsbezogenen Lernbereich – Theorie – und im Fach Deutsch ab. Im berufsbezogenen Lernbereich - Praxis - findet im Rahmen der praktischen Ausbildung eine praktische Prüfung statt. So wird ein erster Berufsabschluss für den Zweitkraftbereich in sozialpädagogischen Arbeitsfeldern erlangt. Nur diejenigen, die im berufsbezogenen Lernbereich – Theorie und Praxis – und im Fach Deutsch mind. befriedigende Leistungen erreicht haben, können in die zweijährige Fachschule Sozialpädagogik eintreten.

Die nach KMK-Rahmenvereinbarung erforderlichen Stunden im Lernbereich Praxis sind in beide Ausbildungsstufen/Bildungsgänge integriert. Die berufsbildenden Schulen können in ihrer eigenen didaktischen Jahresplanung die Ausbildungsphasen am Lernort Praxis selbstständig rhythmisieren.

Die Vernetzung der Lernorte Praxis und Schule ist ein integraler Bestandteil des Ausbildungskonzeptes an der Alice-Salomon-Schule Hannover. Für die Gestaltung des berufsbezogenen Lernbereichs – Theorie und Praxis – sind die folgenden didaktische Grundsätze handlungsleitend. Sie wurden mit dem Kollegium des berufsbezogenen Lernbereichs im Rahmen der Qualitätsentwicklung der Abteilung abgestimmt und werden bei der didaktischen Gestaltung des berufsbezogenen Unterrichts an den Lernorten Praxis und Schule in den beiden Bildungsgängen berücksichtigt:

  • Vernetzung der Lernorte Praxis und Schule
  • Gestaltung von problemorientierten Lehr-Lernarrangements
  • Balance zwischen instruktiven und konstruktiven Lehr-Lernprozessen
  • Subjektorientierung und biographisches Lernen
  • Aufbau von Lernkompetenzen
  • Differenzierung und Profilbildung

Dem Ausbildungskonzept liegt ein konstruktivistisches Verständnis von Lehren und Lernen zugrunde. Wissen wird demzufolge nicht einfach durch Lehre übernommen, sondern in einem individuellen Aneignungsprozess aufgebaut. Neue Informationen im berufsbezogenen Unterricht und Eindrücke aus der beruflichen Praxis werden auf der Grundlage vorhandenen Wissens interpretiert.

Lernen und Kompetenzerwerb sind zu verstehen als aktiver, selbstgesteuerter und konstruktiver Prozess. Schüler/innen eignen sich angebotene Lerninhalte nach ihren eigenen Verständniszugängen im Kontext ihrer je individuellen Lebenswelt an. Lehre/Unterricht ist vor diesem Hintergrund immer ein Lernangebot, das Wege der Aneignung aufzeigt. Das Lernergebnis ist ein individuelles Konstrukt, das wiederum in fachliche Interaktionen bzw. berufliches Handeln einfließt und über die Reflexion der gewonnenen Erfahrungen zu neuen Fragen und Problemstellungen führt, die die berufliche Identitätsentwicklung unterstützen. Lernen ist immer auch ein sozialer und situativer Prozess. Die Schülerin/der Schüler erwirbt in Gemeinschaft mit anderen Wissen, Fertigkeiten, aber auch Einstellungen, konstruiert interpersonale Beziehungen und entwickelt soziale und personale Kompetenzen. Erfolgreiches Lernen ist somit abhängig von kommunikativen Prozessen, die an Handlungssituationen in den Lernorten Praxis und Schule gebunden sind.

Für die didaktische Realisierung des Theorie-Praxis-Bezuges, der sich an den oben genannten Prämissen für Lehren und Lernen orientiert, können verschiedene Ebenen der Schulentwicklung als Organisations- und Unterrichtsentwicklung betrachtet werden:

  • Lernortkooperation: zeitliche bzw. didaktische Vernetzung des berufsbezogenen Unterrichts am Lernort Schule mit Phasen der praktischen Ausbildung am Lernort Praxis
  • Entwicklung und Fortschreibung von verbindlichen Arbeitsplänen für die berufsbezogenen Lernbereiche – Theorie und Praxis – über einen kollegialen Abstimmungsprozess in der Abteilung;
  • Rhythmisierung des berufsbezogenen Unterrichts in der Stundenplangestaltung für die einzelnen Klassenstufen und Bildungsgänge;
  • Einsatzplanung der Lehrenden im berufsbezogenen Lernbereich – Theorie und Praxis;
  • Klassen-/Kurssystem, das den Lernenden individuelle Wahlmöglichkeiten und Profilbildung ermöglicht;
  • Unterricht am anderen Lernort: Lernortkooperationen im berufsbezogenen Lernbereich – Theorie
  • Lernsituationen als didaktische Lehr-Lernarrangements für den Unterricht;
  • Gemeinsame Entwicklung von Unterrichtsmaterialien und Praxisaufgaben

Lehrkräfte können insbesondere dann verlässliche Lernortkooperationen entwickeln, wenn sie bei der Planung ihres Einsatzes im Bildungsgang Kontinuität erfahren und einen Mitgestaltungsspielraum haben. Dies gilt auch für den Aufbau von Teamstrukturen und die gemeinsame Entwicklung von Lehr-Lernarrangements für den Unterricht, bzw. Arbeitsplänen/Modulen für den jeweiligen Bildungsgang. Die Fachschule Sozialpädagogik befindet sich derzeit in einem Schulversuch des Niedersächsischen Kultusministeriums zur Modularisierung der Ausbildung zur Erzieherin/zum Erzieher. Die Modularisierung der Ausbildung eröffnet u.a. die Möglichkeit, die Theorie-Praxis-Bezüge curricular und strukturell noch intensiver weiter zu entwickeln. Erstmals liegen damit auch für den berufsbezogenen Lernbereich – Praxis - Kompetenzbeschreibungen vor, die eine didaktische Vernetzung von Unterricht/ Lehre und pädagogischem Handeln im beruflichen Arbeitsfeld mit einer größeren professionellen Verbindlichkeit für alle an der Ausbildung Beteiligten ermöglichen.