Von der Integration zur Inklusion

Kinder mit Behinderungen in Krippe und KiTa

Inhaltsverzeichnis

  1. Organisationsformen der gemeinsamen Bildung, Betreuung und Erziehung
  2. Das Potenzial der Peergruppe
  3. Modell der integrativen Prozesse
  4. Literatur

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Das Potenzial der Peergruppe


Um die soziale Integration eines Kindes mit Behinderung in der Kindertageseinrichtung zu unterstützen, ist es notwendig, den Blick auf die Interaktionsprozesse innerhalb der Peergruppe zu richten. Das Spielgeschehen ist nämlich oftmals dadurch gekennzeichnet, dass bestimmte Kinder bewusst von der Interaktion ausgeschlossen werden.

Schwierigkeiten in einer Spielsituation treten jedoch unabhängig von der Diagnose einer Behinderung auf und können ebenso für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache, Kinder aus Familien in Problemlagen, Kinder mit ungesteuertem Verhalten und entwicklungsgefährdete Kinder gelten. Pädagogische Unterstützung wird dann nötig, wenn Kinder nicht in der Lage sind, aufgrund ihrer Kompetenzen befriedigende Interaktionsprozesse zu etablieren oder aufrechtzuerhalten (Kron 2011).

Die Aussage einer Heilpädagogin (Albers et al. 2011, S. 20) verweist dabei auf das Potenzial, das in einer vorurteilsfreien Interaktion von Krippenkindern mit einem Kind mit Behinderung liegt:

»Das war der erste Besuch eines zukünftigen Kindes in unserer Kita. Wir haben so bedruckte, beklebte Dosen. Die einen sind mit Wasserfolie beklebt, die anderen mit Steinen, und dann sind welche mit Blättern beklebt. Und die Kinder waren gerade dabei, diese Dosen einzuräumen, und zwar sortiert, jede Art in ein Fach. Und das Kind saß da – das kannte ja keiner von den Kindern –, es saß da auf den Knien. Das Mädchen kann kein Wort reden, nur lautieren. Und es hat irgendwie verstanden, dass die anderen Kinder diese Dosen da immer hintragen. Und dann hat es eine Dose genommen und mitten in den Lauf der Kinder gehalten. Dann hat ein Kind angehalten, diese Dose mitgenommen und eingeräumt. Und das hat das Mädchen dann immer wieder gemacht. Dann haben die Kinder plötzlich umgeschaltet und haben die Dosen, die noch überall im Raum rum lagen, zu ihm geschleppt. Dann wurden sie wiederum von dem Mädchen zu denen gegeben und danach ins Regal geräumt. Und da habe ich gedacht: Das gibt‘s doch gar nicht, das ist so genial.
Das Kind hat sich selber eingebunden, und die Kinder haben es verstanden. Ja, so funktioniert das da, und dann haben sie es eingebunden. Ich war völlig baff. Und die Mutter war auch baff, weil sie das noch nie erlebt hatte mit ihrem Kind, dass es so eine Spielsituation überhaupt überblickt. Und das ist das, was Integration erreichen
soll: Sich einfach auf jemanden, so wie er ist, einstellen zu können.«

Bei der Unterstützung der sozialen Integration von Kindern mit Behinderung in der Gruppe kommt der pädagogischen Fachkraft insbesondere bei Kindern, die aufgrund mangelnder sprachlicher Kompetenzen Schwierigkeiten haben, sich Zugang zu einer Spielsituation zu verschaffen, eine sehr anspruchsvolle Aufgabe zu: Das Eingreifen eines Erwachsenen in das Spiel der Kinder kann sich zwar kurzfristig als eine erfolgreiche Strategie erweisen, wenn aufgrund neuer Rollenzuweisungen neue Spielpartner in die Spielgruppe einbezogen werden können. Beobachtungen in Freispielphasen zeigen jedoch, dass in vielen Fällen eine von außen forcierte Aufnahme eines neuen Gruppenmitglieds zum Zusammenbruch des Spielmotivs und zur Auflösung der ursprünglichen Gruppe führt. Entsprechend wird in diesem Zusammenhang ein zurückhaltendes ErzieherInnen-Verhalten als hilfreich im Umgang mit der Problematik des Zugangs zu Spielprozessen herausgestellt. Erst wenn deutlich wird, dass Kinder nicht in der Lage sind, untereinander einen Lösungsweg zu finden, greifen Fachkräfte unterstützend ein. Diese pädagogische Unterstützung wird dann nötig, wenn Kinder aufgrund ihrer Kompetenzen keine befriedigenden Interaktionsprozesse etablieren oder aufrechterhalten können.

Casey (2011) verweist in diesem Kontext auf die Rolle der Erwachsenen als empathische Spielgefährten und Mittler, wenn diese bemerken, dass sich ein Spiel aufzulösen droht oder Prozesse der Exklusion offensichtlich werden. Die Autorin nennt dabei »subtile und effektive Strategien«, um die Kommunikation zwischen den Kindern zu ermöglichen oder zu erleichtern. Durch gezieltes Eingreifen oder durch die Einführung neuer Rollen und Spielobjekte kann die pädagogische Fachkraft zum Beispiel die Weiterentwicklung eines Spiels so beeinflussen, dass Kindern, die ansonsten vom Spielprozess ausgeschlossen werden würden, die Teilhabe am Spiel ermöglicht wird. Ytterhus (2011, S. 127) bezeichnet in diesem Zusammenhang »die Membran zwischen inkludierendem und exkludierendem Umgang« in der Peergroup als sehr dünn; die Instabilität der Struktur im sozialen Umgang der Kinder kann von
kompetenten pädagogischen Fachkräften jedoch durchaus »in die gewünschte Richtung justiert werden«.



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