Fachkräfte im Duett

Kooperationen mit Musikschulen gestalten

Mit plattgedrückten Nasen an der Fensterfront und freudigen Rufen »Die Musik kommt!« wird Ursel, die Elementare Musikpädagogin der Musikschule, mit ihrem Rucksack voller Instrumente in der Kita begrüßt. Dieser Beitrag möchte eine Entscheidungshilfe zur Anbahnung einer Kooperation mit Musikschulen geben, sowie Hinweise für eine gelingende Kooperationsgestaltung.

Musik ist ein wichtiger Bestandteil des Kita-Alltags. Singen, Klatschen, Stampfen sind Teil von vielen Ritualen und gemeinschaftsstiftenden Spielangeboten und das Erforschen von Klängen und Tönen ein wichtiges Erfahrungsfeld bereits für die Allerkleinsten. Kinder sind fasziniert und engagiert im musikalischen Handeln. Über das ästhetisch-musikalische Bildungsfeld hinaus sind eine Reihe positiver Effekte musikalischen Handelns nachgewiesen worden: Es unterstützt die Fähigkeit Gefühle regulieren zu können und wirkt sich positiv auf das Sozialverhalten und das Gemeinschaftsgefühl aus.

Gemeinsames Ziel: Teilhabe an musikalischer Bildung

Musik ist ein wunderbares Medium vorsprachlicher Teilhabe und unterstützt zugleich die Sprachentwicklung, Gesundheit und das Wohlbefinden (Gembris 2015). Dennoch fühlt sich mehr als die Hälfte der Fachkräfte nicht ausreichend für die Initiierung und Begleitung musikalischer Bildungsprozesse vorbereitet (Cloos 2010).

Musikalische Expertise findet sich im frühkindlichen Bereich bei den Elementaren Musikpädagoginnen und –pädagogen der Musikschulen. Diese wiederum erfahren in den letzten Jahren die Auswirkungen von sich ausdehnenden täglichen Aufenthaltszeiten in Krippe, Kita und Schule: die Mitgliederzahlen in der entsprechenden Altersgruppe nehmen ab. Daher müssen sich öffentlich geförderte Musikschulen legitimieren und ihr bildungsbürgerliches Stammpublikum erweitern. Kindertagesstätten sind ein guter Zugang, um Kinder von Eltern zu erreichen, die das – teilweise mit erheblichem Aufwand verbundene – Angebot der Musikschulen nicht wahrnehmen.

Ist ein beidseitiges Interesse bei den Akteuren vor Ort vorhanden, können in einer Kooperation Musikschule und Kindertagesstätte ihre Stärken einsetzen, um gemeinsam eine qualitativ hochwertige musikalische Bildung für möglichst alle Kinder eines Sozialraumes anzubieten.

Vor diesem Hintergrund ist eine Reihe von Programmen entstanden, die solche Kooperationen finanziell ausstatten und einen organisatorischen Rahmen bereitstellen. Trotz unterschiedlicher Konzeptionen und Förderrichtlinien eint sie das Ziel einer breiten musikalischen Teilhabe. Gemeinsam ist ihnen außerdem die Idee, dass Fachkräfte unterschiedlicher Disziplinen vor Ort gemeinsam mit den Kindern arbeiten.

Das dafür häufig geprägte Bild ist das »Tandem«: beide Fahrende blicken in dieselbe Richtung und möchten im gleichen Rhythmus dasselbe Ziel erreichen. Ihr Einsatz an Kraft und Lenkungsvermögen kann unterschiedlich sein, ohne dass die Fahrt in Gefahr gerät. Im besten Falle gelangen beide in ihren Schwächen gestärkt und mit neuen Kompetenzen ans Ziel.

Beispiel Niedersachsen: Wir machen die Musik!

Das Programm »Wir machen die Musik!« hat seit 2009 über 210.000 Kinder erreicht und zählt bundesweit zu den größten Kooperationsprogrammen. Eine externe Wirksamkeitsanalyse macht es gut beschreibbar (Lehmann-Wermser et al, 2016). Trotz dezentraler Zugänge und vielfältiger Gestaltungsmöglichkeiten, überwiegt das folgende Format: Eine Musikschullehrkraft kommt während eines Kita-Jahres einmal in der Woche in die Räume der Kindertagesstätte. Dort gestaltet sie ein 45-minütiges Angebot für jeweils ca. 15 Kinder und wird dabei von mindestens einer Erzieherin bzw. einem Erzieher unterstützt.

Chancen der multiprofessionellen Zusammenarbeit nutzen
Zunächst handelt es sich bei dieser Grundform um ein von einer externen Kraft durchgeführtes Zusatzangebot. Bereits dieses bietet Potenziale für die Einrichtung: Die Kinder erhalten ein qualitativ hochwertiges und breit gefächertes musikalisches Angebot. Eine musikpädagogische Fachkraft gibt Impulse für entdeckendes Lernen, kann improvisatorisch auf Äußerungen von Kindern eingehen und in den musikalischen Dialog treten, sie bietet fachgerechte Unterweisungen an den elementaren Instrumenten, sie versteht die Strukturen der Musik und kann sie in Bewegung und in Sprache umsetzen und den Kindern erfahrbar machen. Das wichtigste Potential einer Musikschullehrkraft ist ihr eigenes musikalisches Ausdrucksvermögen, sei es stimmlich, sei es instrumental: »Die Qualität des Wahrgenommenen hat Einfluss auf die Qualität des handelnden Tuns der Kinder. [...] Wir müssen uns bewusst sein, dass aus Eindruck Ausdruck wird«. (Greiner o.J.).

Letztlich sind Musiklehrkräfte neben einer pädagogischen Haltung auch einer ästhetisch-künstlerischen Haltung verpflichtet. Die Authentizität ihres Handelns als Musiker/in ist in der Regel auch durch musikalisch kompetente Erzieherinnen und Erzieher nicht in einer Kindertagesstätte abbildbar.

Die Erzieherinnen und Erzieher können während der Musikstunde Verantwortung abgeben und können die Kinder aus einer Perspektive der teilhabenden Beobachtung erleben. Häufig entdecken sie an einzelnen Kindern neue Eigenschaften und Kompetenzen, die durch das musikalische Handeln ausgelöst werden. Durch die Angebote der Musikschullehrkraft erweitern die Erzieherinnen und Erzieher ihr eigenes Repertoire an Liedern, Spielen und Tänzen und erleben neue methodisch- didaktische Herangehensweisen.
Kooperation ausbauen und vertiefen

Neben diesen beiden grundlegenden Aspekten sind vor Ort viele konkrete Modelle entstanden, die das Format bedarfsorientiert weiterentwickelt haben. Dazu gehören:

Formate flexibel anpassen
Formate flexibel auf die teilnehmenden Kinder und auf die zur Verfügung stehende Kooperationszeit anpassen: Beispielsweise kann die Lehrkraft einmal in der Woche in allen Gruppen einer Einrichtung die Gestaltung des Morgenkreises übernehmen und im Anschluss eine offene Klangwerkstatt bereitstellen.

Anschlussfähigkeit sicherstellen
Anschlussfähigkeit sicherstellen zwischen dem musikalischen Angebot und dem Kita-Alltag: Die Inhalte des musikalischen Angebotes können im Laufe der Woche von den Erziehern und den Kindern weiterentwickelt und aufgegriffen werden. Das gelingt natürlich durch die Wiederholung von Liedern, aber auch durch zusätzliche Forschungs- und Übungsaufgaben (z.B. dunkle/helle Raumklänge suchen). Auf der anderen Seite kann das Angebot die aktuellen Themen der Kita aufgreifen und um einen musikalischen Impuls erweitern. Der Blick auf die Anschlussfähigkeit und die Übergänge sind für eine gelungene Integration in das Gesamtkonzept der Kita unerlässlich.

Weiterentwicklung der musikalischen Fachlichkeit
Chancen zur Weiterentwicklung der musikalischen Fachlichkeit der Kita-Mitarbeiter nutzen: Die Musikschullehrkraft kann Fortbildungen, Hilfestellungenbei musikalisch-fachlichen Fragen oder einen Chor für Mitarbeiter und Eltern anbieten. All dies unterstützt die Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses von musikalischer Bildung. Anders als in einer klassischen Fortbildungssituation, erleben sich die beteiligten Professionen auch in herausfordernden Situationen und können konkret daran anknüpfen. Die oben beschriebene Rollenverteilung entwickelt sich mit zunehmendem gegenseitigem Vertrauen weiter. Fachkräfte aus den Kitas werden selbst aktiv und übernehmen musikalische Aufgaben. Die Musikschullehrkräfte unterstützten sie darin und geben ihnen fachliche Rückmeldungen.

Zeit für Kommunikation einplanen

All diese Kooperationsformen benötigen Zeit für Absprachen und gute Kommunikation auf verschiedenen Ebenen. Ungewöhnlich positiv fällt hier die Evaluation von »Wir machen die Musik« aus, bei der bis zu ca. 90% der Befragten aus beiden Institutionen zustimmen, dass man sich »auf Augenhöhe« begegne. Dennoch gehört es zu den Empfehlungen des Programmes, die Zeiten der Rollenklärung, des Austausches und der gemeinsamen Absprachen von Anfang an explizit zu berücksichtigen und nicht zu unterschätzen. Nicht von ungefähr ist die interne oder externe Begleitung von langfristigen interdisziplinärinterdisziplinär|||||Unter Interdisziplinarität versteht man das Zusammenwirken von verschiedenen Fachdisziplinen. Dies kann auch als „fächerübergreifende Arbeitsweise“ verstanden werden, z.B wenn Psychologen, KinderärztInnen, ErzieherInnen und Lehrende zusammen an einer Fragestellung arbeiten.en Teams Bestandteil einer Empfehlung zu multiprofessionellen Kontexten in Kindertagesstätten (Deutscher Verein 2016)

Fazit: Win – Win

Die Teilnahme an den Programmen ist ein klare Entscheidung für eine Qualitätssteigerung im Handlungsfeld Musik. Eine Kooperation mit einer Musikschule stärkt das Profil einer Kindertagesstätte. Die Evaluation zeigt, dass Eltern die Angebote wahrnehmen und befürworten. Es ist wichtig, auch den Anteil der Musikschule deutlich zu machen und den Eltern Türen zu weiterführenden Unterrichtsangeboten der Musikschulen zu öffnen. Nur wenn beide Partner von der Kooperation profitieren, werden diese langfristig ihr Engagement und ihre Ressourcen einbringen. Dann bergen sie die Chance der eigenen Weiterentwicklung durch den Blick des anderen.


Literatur:

  • Cloos, P. et al (2010): Musikalische Bildung in der Qualifizierung für Kindertageseinrichtungen in Nordrhein-Westfalen. Hildesheim: Stiftung Universität Hildesheim.
  • Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. (2016): Empfehlungen des deutschen Vereins zur Implementierung und Ausgestaltung multiprofessioneller Teams und multiprofessionellen Arbeitens in Kindertageseinrichtungen.
  • Gembris, H. (Hrsg.) (2015): Musikalische Begabung und Alter (n). Schriften des Instituts für Begabungsforschung in der Musik (IBFM), Band 7. Münster: LIT.
  • Greiner, J.: Gedanken zu kindergartenrelevanter Musikpädagogik und entsprechende Aus- und Weiterbildungsfragen. www. adz- netzwerk. de (Zugriff.: 19.04.2017).
  • Lehmann-Wermser, A. et al (2016): Evaluationsbericht »Wir machen die Musik«. Bremen, edukatione.

Übernahme mit freundlicher Genehmigung aus KiTa Aktuell, 06/2017, S. 136-138


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