Im Interview mit Karsten Herrmann berichtet Thea Heusler, Mitinitiatorin der niedersächsischen Kita-Volksinitiative, über die aktuelle politische Debatte zur Verbesserung der Rahmenbedingungen in KiTas und zur Novellierung des derzeitigen Kindertagesstätten-Gesetzes. Sie unterstreicht dabei „Es bleibt nicht mehr die Zeit bis 2016. Jetzt sind Veränderungen erforderlich!“.


  • Mehr als 100.000 Unterschriften für bessere Betreuungsbedingungen und hier insbesondere für einen besseren-Personalschlüssel in den Kitas: Werten Sie die von Ihnen mit initiierte KiTa-Volksinitiative als vollen Erfolg?

Heusler: Wir haben auf jeden Fall mit mehr als 100 000 Unterschriften ein deutliches Signal gegeben, dass der Handlungsbedarf in den Kindertageseinrichtungen nicht nur immens ist, sondern nicht nur von den Initiatoren, sondern von einer großen Gruppe ebenso gesehen wird.

Aufgrund der erfolgreichen Volksinitiative gab es jetzt drei öffentliche Anhörungen vor dem Kultusausschuss, zuletzt mit VertreterInnen der Kommunen. Wie werten Sie diese Veranstaltungen und hat es konkrete Ergebnisse gegeben?

Die erste Anhörung Anfang Februar diesen Jahres war sehr erfreulich. Fraktionsübergreifend wurde bestätigt, dass die Forderungen der Volksinitiative die vollkommene Zustimmung finden und die Zeit reif ist für eine bessere Unterstützung in den Tageseinrichtungen. Die zweite Anhörung war dieser noch vergleichbar. Allerdings hat sich unsere positive Einschätzung nach der Anhörung der kommunalen Spitzen vergangene Woche deutlich verändert. Die Hannoversche Allgemeine Zeitung  schreibt dazu, dass die Chancen für bessere Betreuungsbedingungen schlecht stehen. In dem Artikel wird Bezug genommen auf den Hauptgeschäftsführer des Städtetages, Heiger Scholz, der die finanziellen Grenzen der Städte und Gemeinden anlässlich der Anhörung der kommunalen Spitzen im Ausschuss ausführte und die Verbesserung der Betreuung als schlicht zu teuer benennt. Wenn diese Einschätzung das weitere Denken und Handeln nachdrücklich beeinflusst, wäre das für alle Beteiligten im Elementarbereich ein Desaster.
 
  • Mit einem „Dialog-Forum“ wurde jetzt auch der Startschuss für ein neues KiTa-Gesetz in Niedersachsen gegeben, mit dem,  so Kultusministerin Frauke Heiligenstadt, „zukunftsfähige Rahmenbedingungen für die qualitative Weiterentwicklung der frühkindlichen Bildung in Niedersachsen“ geschaffen werden sollen. Wie verlief hier die Diskussion und sehen Sie zurzeit realistische Perspektiven für eine gesetzliche Verbesserung der Rahmenbedingungen in den KiTas? Wenn ja, welche?

Zur Strukturqualität zählte Ministerin Heiligenstadt die nachfolgenden Punkte auf und brachte diese gleichzeitig in Bezug zu der Aktion Kinder sind mehr wert, die bereits vor der Volksinitiative Verbesserungen in Kita gefordert hat:

  • 3. Kraft in der Krippe
  • Reduzierung der Gruppenstärke
  • Leitungsfreistellung
  • Verfügungszeit
  • Raumstandards
  • Integration
  • Fachberatung
  • Qualifikationsniveau

Ministerin Heiligenstadt beschrieb dabei das Einvernehmen über diese Forderungen, die bei der Bearbeitung des KitaGs in den Blick zu nehmen sind, brachte diese aber gleichzeitig in Bezug zur Konnexität. (§58 nieders. Verfassung). Diese besagt, dass das Land für finanziellen Ausgleich sorgen muss, wenn seine Entscheidungen zum Beispiel im Hinblick auf einen verbesserten Personalschlüssel in den Kommunen zur Mehrbelastung führen.

In den weiteren Ausführungen wurde so auch sehr deutlich, dass die verfügbaren Mittel handlungsleitend sind. Zitat: „Es ist unbefriedigend, dass keine ausreichenden Finanzmittel zur Verfügung stehen und wir nur einen geringen Spielraum haben. Es kann nicht zielführend sein, die 3. Kraft in der Krippe pauschal einzuführen.“ Ziel sei es daher, aufgrund begrenzter Mittel die 3. Kraft zunächst nur da einzusetzen, wo der Bedarf am höchsten sei. Die Ausführungen der Ministerin zeigen auf, dass zwar die Forderungen der Volksinitiative bestätigt werden, dass aber von vornherein mit der Barriere diskutiert wird, dass keine Mittel vorhanden sind. An dieser Stelle muss gefragt werden, ob die Finanzknappheit auf dem Rücken gelingender Entwicklung von Kindern ausgetragen werden soll?

  • Wurde im Dialog-Forum denn auch schon an konkreten Modellen gearbeitet?

Im Rahmen des Forum-Dialogs haben Kleingruppen versucht, Lösungen zur Verbesserung der Betreuungsbedingungen anzudenken. Eine Frage war z.B., ob die Finanzierung der Kitas weg von der Personalkostenfinanzierung und hin zur Platzfinanzierung verändert werden könne? In diesem Zusammenhang wurde auch eine Baukastenfinanzierung strikt am Bedarf der Einrichtung diskutiert: Weg von den immer wieder neu aufgelegten Projekten (setzt außerdem Geld frei), hin zu einer Baukastenlösung, die der Unterschiedlichkeit der Tageseinrichtungen in einem Flächenland gerechter wird und einer ganzheitlichen Pädagogik Rechnung trägt. Unbeliebt bei Eltern dürfte die Diskussion sein, ob durch die Abschaffung des dritten Kitajahres mehr Geld für verbesserte Strukturen freigesetzt werden sollte. Die Herausnahme der Sprachförderung durch Lehrkräfte aus der Grundschule würde ebenso Ressourcen freisetzen und eine ganzheitliche Sprachförderung in der Tageseinrichtung ermöglichen.

  • Wie geht es weiter mit der KiTa-Volksinitiative? Wo sehen Sie Ansatzmöglichkeiten weiter Einfluss auf die qualitative Entwicklung von KiTa zu nehmen?

Nur die konsequente Entwicklung von Qualität in den Tageseinrichtungen wird zu besserer Bildung und einer Entlastung der Fachkräfte führen. Das KitaG bis 2016 zu modifizieren ist der richtige Weg, wenn tatsächlich alle Facetten, die Ministerin Heiligenstadt beim Dialogforum aufgezählt hat, bedarfsgerecht umgesetzt werden. Wir haben als Vertreter der Volksinitiative Politik zu gemeinsamen Beratungen eingeladen. Gern sind auch bereit mit zu überlegen, wie in einem Stufenplan Veränderungen realisiert werden können. Es bleibt aber nicht mehr die Zeit bis 2016. Jetzt sind Veränderungen erforderlich, die sich in der Durchführungsverordnung bereits integrieren lassen. Wir bringen Kinder in Not, wenn der BetreuungsschlüsselBetreuungsschlüssel||||| Der Betreuungsschlüssel gibt an wieviele Personen, für die Betreuung anderer Personen zur Verfügung stehen. Es wird meist in dem Format angegen 1:n, um zu verdeutlichen, dass eine Persone für eine bestimmte Anzahl n Personen zuständig ist. Der Betreuungsschlüssel wird auch als Personalschlüssel angegeben, oder im Bereich der Schule, als Klassengröße. Bei Vorgaben zu Betreuungsschlüssel spielen auch die Qualifikationen der betreuuenden Personen  eine Rolle. nicht stimmt und wir müssen akzeptieren, dass die Berufsgruppe der Erzieher/innen vor dem Kollaps steht. Insofern werden wir unser Handeln von den nächsten Schritten der Politik abhängig machen.

Trägerübergreifend haben wir die Teilnahme von MitarbeiternInnen an allen Ausschuss-Sitzungen organisiert. Die Teilnahme der Eltern wird zunehmend wichtiger werden, damit aus dieser Gruppe heraus verdeutlicht wird, dass sie sich allein gelassen fühlen in ihrem Anliegen Familie und Beruf zu vereinbaren (wenn der Betrieb der Kita aufgrund von Personalengpass nur noch als Notgruppe angeboten wird und sie immer wieder Betreuung alternativ organisieren müssen) und dass sie Sorge um das Wohl ihrer Kinder haben, da die Herausforderungen an alle Beteiligten permanent steigen und das unter Rahmenbedingungen (KitaG), die vor 20 Jahren geschaffen wurden, als der Kindergarten noch dominiert wurde von Teilzeitangeboten und Berufstätigkeit von Müttern kein Prinzip des Alltags war. Zumindest in Ballungsgebieten sind Kindergartenkinder durchschnittlich 8 Stunden am Tag in der Kita, Krippenkinder in der Regel noch länger.

Wir haben in den Krippen Arbeitsbedingungen für Erzieherinnen, die dazu führen, dass diese in eine normale Kitagruppe zurückversetzt werden möchten. Gleichzeitig nehmen wir in Kauf, dass engagierte ErzieherInnen sich beruflich neu orientieren.

Wir werden unsere Forderungen weiterhin propagieren, präsent sein und weitere Strategien entwickeln, wenn Politik nicht zeitnah Ergebnisse vorweist. Die Landesregierung zeigt, dass Bildungspolitik in ihrem Focus ist. Beispiele dafür sind die Abschaffung des Turbo-Abi`s und die Abschaffung der Studiengebühren. Bildungspolitik muss aber endlich vom Anfang her gedacht werden. Kinder, Erzieher und Eltern warten schon zu lange darauf. Wahrscheinlich braucht es populistischere Mittel, um Politik zu erreichen.


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